Bitte Einzelzimmer mit Bad
wieder hin. Das hätte ihr gerade noch gefehlt! Ein Glück, daß sie rechtzeitig aufgewacht war. Nicht auszudenken, wenn diese unternehmungslustigen Berliner tatsächlich gelandet wären und sie im Schlaf überrascht hätten. Weit und breit kein Mensch! Und sie selbst gehbehindert und schutzlos den lüsternen Knaben ausgeliefert! Das hatte man nun davon, wenn man sich dazu überreden ließ, mit einem wildfremden Mann in die Einöde zu ziehen! Erst macht er einen betrunken, und dann verschwindet er einfach! Seine Sachen waren zwar alle noch da, aber die könnte er später immer noch holen! Er wußte ja, daß sie mit ihrem lädierten Fuß kaum selbst die Klippen hochkäme und nicht imstande wäre, auch noch eine Tasche mitzunehmen. Tasche? Du liebe Zeit, er hatte doch wohl nicht ihr Handtäschchen geklaut? Viel Geld war ja nicht mehr drin, und dem Busfahrer würde sie notfalls ihren Ring als Pfand dalassen, aber Ausweis, Führerschein … Tinchen suchte hektisch. Nichts! Sie kippte Brandts Badetasche aus, durchwühlte ihren Inhalt, fand aber außer schon Bekanntem nur das leicht zerknitterte Foto einer langmähnigen Schönheit. Wahrscheinlich ein früheres Opfer dieses hinterhältigen Handtaschenräubers! Sie zerriß das Bild und warf die Schnipsel ins Meer. Alles andere sollte man auch reinschmeißen! Der würde ziemlich dumm dastehen, wenn er bei seiner Rückkehr nichts mehr fände! Wütend gab sie der Luftmatratze einen Tritt. Und was lag darunter?
»Na schön, ein Dieb ist er nicht, aber ein verantwortungsloser und gemeiner Abenteurer bleibt er trotzdem! Und auf so was muß ausgerechnet ich reinfallen!« Schniefend kramte sie nach einem Taschentuch. Wie üblich fand sie keins. Dieser geschniegelte Angeber hatte bestimmt eins dabei! Man durchsucht zwar keine fremden Hosentaschen, aber das war Tinchen egal. Erleichtert schnaubte sie in das hellblaue Tuch. Lackaffe, blöder! Wählt seine Taschentücher passend zum T-Shirt! Und dann diese messerscharfen Bügelfalten! Warum trug er nicht Jeans wie andere Studenten auch? Paßte wohl Tantchen nicht? Na, die würde sich wundern!
Einen Augenblick zögerte Tinchen noch, dann warf sie kurzentschlossen die Hosen über die Klippen und spähte hinterher. Schade, ganz würden sie wohl nicht versinken, der Gürtel war an einer Felsspitze hängengeblieben, aber die Hosenbeine klatschten im Rhythmus der Wellen auf die glibbrigen Steine, und die Bügelfalten waren draußen!
So, das wäre geschafft! Und jetzt der Rückmarsch! Leicht würde er nicht werden, denn mit dem rechten Fuß konnte sie nur ganz vorsichtig auftreten, und selbst dann tat er scheußlich weh. Zu allem Überfluß hatte sie sich auch noch einen Sonnenbrand geholt. Jedesmal, wenn das Kleid ihre Oberschenkel berührte, brannte es wie Feuer. »Nicht in der Sonne einschlafen!« pflegte sie regelmäßig ihren Gästen zu predigen, und was tat sie? Egal, heute war sowieso alles schiefgegangen, und der Sonnenbrand war bloß das I-Tüpfelchen.
Sie hängte sich die Tasche um den Hals und begann den Aufstieg. Die ersten paar Meter gingen ganz gut, aber dann kam ein hoher abgeschliffener Stein, auf dem sie mit ihren glatten Sohlen keinen Halt fand. Dann eben barfuß! Eine kleine Pause konnte sie ohnehin gebrauchen.
Sie schlüpfte aus den Schuhen und stand vor einem neuen Problem: Wohin damit? Die Hände brauchte sie zum Festhalten, die Tasche war zu klein – was machte man bloß in solchen Fällen? Tinchen rekapitulierte sämtliche Bergsteigerfilme, die sie im Fernsehen über sich hatte ergehen lassen, fand aber keine Situation, die ihrer jetzigen entsprochen hätte. Die jeweiligen Alpinistinnen waren entweder per Hubschrauber oder von wettergegerbten Naturburschen gerettet worden, die ihnen erst in einer einsamen Schutzhütte mit Schnee die halberfrorenen Füße abgerieben und sie anschließend auf ihren Armen ins Tal getragen hatten. Tinchen wollte nicht ins Tal, sie wollte die Klippen hoch, und ein Retter war auch nicht in Sicht. Weit draußen tauchte ab und zu der Kopf eines einsamen Schwimmers aus den Wellen, aber ihr Rufen und Winken bemerkte er nicht.
Ratlos schlenkerte sie die Schuhe hin und her. Natürlich hätte sie sie zwischen den Steinen verstecken und an einem der nächsten Tage holen können, aber barfuß durch den halben Ort und dann noch in den Bus? Schließlich knotete sie die Riemchen zusammen, hängte sich die Sandalen über den Arm und machte sich wieder an die Kletterei. Na also, ohne Schuhe ging
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