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Bitte Einzelzimmer mit Bad

Bitte Einzelzimmer mit Bad

Titel: Bitte Einzelzimmer mit Bad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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dann kamen auch noch die beiden Männer …«
    »Welche Männer?«
    »Die mit der Loreley. Sie ist auch gar nicht von Goethe oder Schiller, sondern von Heinrich Heine. Dann hab’ ich ein Taschentuch gesucht, und weil Sie überhaupt nicht mehr wiederkamen, habe ich die Hose ins Wasser geworfen!«
    »Du hättest lieber den Metaxa nehmen sollen! Den hast du offenbar nicht vertragen!«
    »Der hatte keine so schönen Bügelfalten!«
    Er half ihr wieder auf die Beine und sah sie besorgt an. »Mädchen, du hast einen Sonnenstich bekommen! Laß mal sehen, ob du Fieber hast!«
    Schön kühl war seine Hand und sehr zärtlich. »Ich hab’ keinen Sonnenstich! Mir ist nur reichlich flau im Magen, weil ich seit heute früh nichts gegessen habe. Als dann noch diese beiden Freizeitkapitäne auftauchten und die Klippen entern wollten, muß wohl bei mir irgendwas ausgehakt haben. Dabei waren sie eigentlich ganz ulkig!«
    Während Brandt den Felsen entrümpelte, erzählte Tinchen – diesmal jedoch etwas zusammenhängender – ihre ganze Leidensgeschichte.
    Allerdings unterschlug sie den Taschendieb und das zerrissene Foto. Vielleicht würde er es gar nicht vermissen. Sicher war es nur eins von vielen. »Meine Schuhe sind auch hin!« beendete sie ihr Klagelied, »oder wenigstens einer davon. Der andere hängt oben zwischen den Steinen.«
    »Armes Aschenbrödel! Wie gut, daß es gleich vorn an der Promenade einen Prinzen gibt, der calzolaio heißt und wunderhübsche Schuhe hat.«
    »Aschenbrödel hat aber kein Geld mehr, Es hat schon alles für ein Ballkleid mit Lurexfäden ausgegeben.«
    Sie wehrte sich nicht, als er sie in seine Arme nahm. Seine Lippen waren weich und zärtlich, aber »er sollte sich lieber zweimal am Tag rasieren!« dachte sie; bevor sie glücklich die Augen schloß.
     
    Langsam schraubte sich der Wagen über die Serpentinen aufwärts. Seine Scheinwerfer pieksten Lücken in die Dunkelheit und beleuchteten abwechselnd Olivenbäume, Kakteen und Petersilienbeete. Nach Tinchens Ansicht eine viel zu prosaische Kulisse; zu diesem märchenhaften Abend hätten Orchideen oder wenigstens Rosen gehört, die man pflücken und an sein klopfendes Herz drücken könnte. Jedenfalls taten das die Damen in den einschlägigen Romanen aus Schumanns Hotelbibliothek, die überwiegend aus den zurückgelassenen Taschenbüchern abgereister Gäste bestand.
    Tinchen hatte wirklich Herzklopfen und weiche Knie bis zu den Augen. Vergessen war der verkorkste Nachmittag, vergessen die peinliche Situation im Schuhgeschäft, als Tinchen nur noch zwei zerfranste Tausend-Lire-Lappen im Portemonnaie gefunden hatte und warten mußte, bis Brandt sie auslöste. Den Schuldschein hatte er abgelehnt, aber sie würde ihm das Geld gleich heute noch zurückgeben! Oder morgen! Der Abend hatte ja noch gar nicht richtig angefangen …
    »Wohin bringen Sie mich eigentlich? Auf Ihr Schloß?«
    »Abwarten!«
    Immer weiter ging es aufwärts, immer schmaler wurde die Straße. Weit unten verschmolz Loano zu einem Mosaik bunter Lichter, und dicht über dem Meer stand der Mond, dünn wie eine Oblate und in einem so leuchtenden Orange, wie Tinchen ihn nie gesehen hatte. Glühwürmchen hatten ihre Heckleuchten eingeschaltet und geisterten durch die Abendluft wie Flitter.
    Plötzlich hörte die Straße auf, Straße zu sein, und verwandelte sich in eine Art Maultierpfad. Brandt lenkte den Wagen auf eine notdürftig mit Schotter befestigte Wiese und zog den Zündschlüssel ab.
    »Den Rest müssen wir zu Fuß gehen!«
    Mit leisem Bedauern stieg Tinchen aus. Sie hätte noch stundenlang so weiterfahren können, aber allem Anschein nach war hier die Welt zu Ende. Oder vielleicht doch nicht? Erstaunt bemerkte sie erst jetzt die vielen Autos, die auf diesem Parkplatz standen. Mindestens ein Dutzend waren es, und alles Exemplare der oberen Preisklasse.
    »Komm, Aschenbrödel, jetzt zeige ich dir mein Schloß!« Brandt ergriff ihren Arm und steuerte sie vorsichtig durch die Dunkelheit. Gehorsam hinkte Tinchen nebenher und fragte sich, wo dieser Ausflug wohl enden würde.
    »Achtung, hier wird’s eng!« Ein halbverfallener Torbogen tauchte auf, von einer müden Laterne nur spärlich beleuchtet, dahinter machte der Weg eine scharfe Kurve, und plötzlich war alles in strahlende Helligkeit getaucht. Ein Kastell mußte das sein. Oder wenigstens etwas Ähnliches. Schmiedeeiserne Ampeln flankierten ein wahrhaft königliches Portal und warfen ihren Schein auf die riesigen Agaven, die

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