Bitte Einzelzimmer mit Bad
rhetorisch noch immer den kürzeren zog, wurde sie diesmal wohl herumkommen. Und schon sprudelte sie die Eulengeschichte heraus.
»Sie können zufrieden sein, daß Sie nicht mehr Lehrgeld bezahlt haben! Was glauben Sie, wie viele Touristen hier schon goldene Uhren gekauft und erst zu Hause festgestellt haben, daß es bloß Doublé war? Aber Sie können ganz unbesorgt sein, meine Korallen sind wirklich echt. Wieviel möchten Sie denn ausgeben?«
Vergeblich schielte Tinchen auf die Preisschilder. Sie konnte keins entziffern. Als Frau von Welt hatte man zu wissen, was so etwas kostet, als Tinchen Pabst hatte sie aber herzlich wenig Ahnung. »Ich weiß nicht recht, vielleicht fünfzig Mark …?«
»Viel zu teuer!« tönte eine Stimme aus dem Hintergrund. »Dafür kriegen Sie ja schon fast einen Trauring!«
»Sollte ich wirklich mal einen brauchen, dann werde ich ihn hoffentlich geschenkt bekommen! Oder müssen sich Ihre Bräute die Ringe immer selbst kaufen?« Tinchen war empört! Wo kam dieser Klaus Brandt schon wieder her? Spionierte der ihr nach? Sein impertinentes Lächeln machte sie noch zorniger. »Haben Sie heute schon wieder Ausgang?«
»Habe ich Ausgang, Tante Josi?«
Die Verkäuferin blickte ratlos zwischen den beiden hin und her.
»Ich verstehe überhaupt nichts. Kennst du die junge Dame, Klaus?«
»Kennen ist maßlos übertrieben! Wir sind uns erst zweimal begegnet, nur scheine ich keinen so nachhaltigen Eindruck hinterlassen zu haben wie umgekehrt. Aber wenigstens kann ich Sie bei dieser Gelegenheit mit meiner Tante Josephine bekannt machen! Tante Josi, das ist Tina Pabst, zur Zeit Leithammel bei Neckermann-Reisen oder einem ähnlichen Touristenbagger. Was sie macht, wenn sie richtig arbeitet, weiß ich noch nicht! Würdest du ihr bitte bestätigen, daß wir Blutsverwandte ersten Grades sind? Sie glaubt mir das nämlich nicht.«
Die Verkäuferin schmunzelte. »Seit wann legst du so großen Wert auf unsere verwandtschaftlichen Beziehungen? Im allgemeinen pflegt man mit alten Tanten nicht zu renommieren.«
»Erstens bist du nicht alt, Tante Josi, was ist schon ein Dreivierteljahrhundert in der Menschheitsgeschichte, und zweitens hält mich Tina für einen Playboy, der sich auf betuchte Frauen der gehobeneren Jahrgänge spezialisiert hat. Du wirst verstehen, daß dieser Verdacht meinem Image sehr unzuträglich ist!«
»Welchem Image?«
»Dem eines fleißigen Doktoranden, der Tag und Nacht schuftet, um mit seiner Dissertation der staunenden Fachwelt völlig neue Erkenntnisse auf dem Gebiet der Computertechnik vermitteln zu können.«
»Vorausgesetzt, die Fachwelt kann noch ein paar Jahre darauf warten!« konterte Tinchen. Plötzlich hatte sie glänzende Laune, fand alte Tanten reizend, dachte nicht mehr an Korallenketten und Karmeliterkloster, wartete.
»Wir gehen schwimmen!« beschloß Brandt. »Ich hole nur schnell meine Sachen. Paß auf, Tante Josi, daß sie in der Zwischenzeit nicht türmt! Am besten schließt du die Tür ab!«
»Ich hab’ doch gar nichts dabei!« protestierte Tinchen, aber Brandt hörte sie nicht mehr.
»Wir werden schon etwas Passendes finden!« Tante Josi ging zu einem gut bestückten Ständer, auf dem Badeanzüge und Bikinis in allen Farbschattierungen hingen. »Größe vierzig, stimmt’s?«
Tinchen nickte. Ein Glück, daß sie die Kette noch nicht gekauft hatte! Hoffentlich würde noch genug Geld für ein Stück Pizza übrigbleiben. Seit dem Frühstück hatte sie nichts mehr gegessen, und ihr Magen knurrte wie ein Hofhund.
Gerade als sie sich für einen weißen Bikini entschieden hatte, kam Brandt zurück. »Nicht den, Tina, dafür sind Sie noch nicht braun genug! So was können Sie in zwei Monaten anziehen!« Fachmännisch prüfte er die Auswahl und zog schließlich ein winziges blaues Etwas mit Lurexfäden heraus. »Das ist er!«
»Sieht aus wie Geschenkpapier!« Tinchen verschwand in der Umkleidekabine. Geschmack hat er ja, dachte sie, während sie sich vor dem Spiegel drehte, aber er hat auch den kleinsten Bikini erwischt, der da war. Direkt unanständig! Ein Glück, daß Mutsch sie so nicht sehen konnte. Die hatte sich ihren letzten Badeanzug kurz nach der Währungsreform gekauft und ihn nur drei- oder viermal getragen, weil er keine angeschnittenen Beine gehabt hatte. »Der ist mir einfach zu genierlich«, hatte sie behauptet und darauf bestanden, daß man die Ferien künftig nur noch im Gebirge verbrachte, wo ein Badeanzug nicht unbedingt zum Urlaubsgepäck
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