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Bitte keine Rosen mehr

Bitte keine Rosen mehr

Titel: Bitte keine Rosen mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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vorher erst einmal genauer ansehen sollen. Die Klage der Eltern besagte, daß ihr Junge infolge des Zauberspruchs eine Woche lang an qualvollen Magenkrämpfen gelitten und daß der Zauber allen ärztlichen Versuchen, den Schmerz zu lindern, widerstanden habe. Diese Liste von Fragen kam einem medizinischen Kreuzverhör gleich, war aber noch weit unangenehmer, weil nach und nach so etwas wie eine Parodie auf ein reales Kreuzverhör daraus wurde. Fing ganz harmlos an, sonst hätte ich gar nicht erst damit begonnen. Wie hatte die Diagnose der Distriktkrankenschwester gelautet? Kolik. Hatte sie eine Arznei verschrieben? Ja, aber die hatte nicht gewirkt, und so weiter. Und dann legte er erst richtig los. Wie stand es mit den Darmbewegungen? Wie hatten die Fäzes ausgesehen? Flüssig oder fest? Klein oder groß? Rund oder würstchenförmig? Waren begleitende Winde aufgetreten? Wie hatten sie gerochen? Ich hätte aufgehört, wäre nicht eines gewesen: Jede Frage war ganz offenkundig sinnvoll. Hatte der Junge derartige Attacken bereits früher erlitten? Wie häufig? Echte Fragen. Aber es waren die anderen, die zählten. Wissen Sie, diese Leute haben einen ziemlich groben Sinn für Humor. Sie fingen an zu lachen, und damit war die Sache geschmissen. Ich konnte nicht viel dagegen tun. Es war kein Gerichtshof, aber immer, wenn ich von einem Fall höre, dessen Verhandlung vor Gericht in allgemeinem Gelächter untergeht, muß ich an diese Liste von Fragen denken. Wenn das kleine Monster sich in irgendeiner Weise schuldig gemacht hätte, hätte ich es mit Wonne verknurrt.«
    »Aber Sie haben es nicht.«
    »Natürlich nicht. Ich war zu sehr damit beschäftigt, mir selber das Lachen zu verbeißen. Aber hinterher habe ich ihm eine Standpauke gehalten. Nicht daß er sich etwas daraus machte. Viel zu gerissen, der junge Williamson. Und ich sage das nicht nur, weil er mich zum Narren gehalten und obendrein ein Stipendium bekommen hat. Viele dieser Lieblinge ihrer Lehrer sind emotional unreif. Er war es nicht. Er hatte Einsichten von einer Art, wie sie sehr viele sogenannte Erwachsene nie auch nur ansatzweise gewinnen. Er war überdies auch ein bißchen sadistisch. Er wußte immer genau, was irgend jemand anderem gerade durch den Kopf ging, und benutzte dieses Wissen, um ihn in Angst und Schrecken zu versetzen, indem er es mit diesem magischen Hokuspokus verbrämte, der ihm zu Gebot stand. Sadistisch, wie ich schon sagte, aber komisch. Und was den Pfadfinderspleen betraf, so war der auch komisch, wenn man die Sache aus seiner Sicht betrachtete. Eine Stammesorganisation, das ist es, was er darin sah, mit einer Menge strenger Rituale und der Chance, sein angeborenes Führungstalent auszuleben. Ein ganz schlauer Bursche, und ein ganz undurchsichtiger dazu.«
    »Tatsächlich zitiert er noch immer Baden-Powell.«
    Er rümpfte die Nase. »Man sagt, glaube ich, daß der Teufel noch immer die Heilige Schrift zitiert. Ich würde meinen, Mathew Williamsons Vorstellung von einer täglichen guten Tat dürfte heute etwa darin bestehen, seinem besten Freund ein Pfund zu leihen und sich von ihm einen Schuldschein über zwei ausstellen zu lassen.«
    In der Tat machte Mat Tuakana, wie er sich damals nannte, seine erste Million, nicht indem er sein eigenes Geld benutzte, sondern indem er für andere Leute Vorkehrungen traf, ihres auszugeben.
    Er war zweiundzwanzig, als er seine Studien an der London School of Economics abschloß. Einer seiner dortigen Kommilitonen stammte aus ehemals Niederländisch-Ostindien, das jetzt im Begriff stand, sich zur Republik Indonesien zu mausern. Der Vater des Freundes war seit langen Jahren ein Anhänger Sukarnos gewesen, gehörte jetzt zum engeren Kreis um den neuen Präsidenten und hatte fette Pfründen zu vergeben. Amerika gewährte dem neuen Staat großzügig Wirtschaftshilfe. In Djakarta fehlte es an ausgebildeten fähigen Männern, die weder Holländer noch Chinesen waren. Als Mat und sein Freund dort eintrafen, hatten sie nicht die geringsten Schwierigkeiten, sich nützlich zu machen. In einem Land, wo die durchschnittliche Lebenserwartung damals bei nicht mehr als dreißig Jahren lag und der auf die Bevölkerung umgerechnete Prozentsatz der Universitätsabsolventen nahezu null betrug, war ihre Jugend kein Hindernis. Innerhalb weniger Wochen hatten sie Stellen von Einfluß und Ansehen erlangt, wie sie in den meisten anderen Ländern nur nach Jahren entschlossen ausgetragener interner Kämpfe und augenfälliger

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