Bitte keine Rosen mehr
Abneigung war gegenseitig. Obschon ich wußte, daß er mit Anglo-Anzacs Buchhalter an dem Kleingedruckten der Placid-Island-Regelung arbeitete, war ich nicht begeistert, ihn hier mit Mat anzutreffen.
»Da haben Sie aber eine gute Zeit herausgeholt, Paul«, sagte Mat. »Keine weiteren Probleme?«
»Keine weiteren Probleme, nein. Aber das eine, um dessentwillen ich hier bin, reicht völlig aus, das versichere ich Ihnen.« Ich sah Frank an und dann wieder Mat und wartete.
Nach einem Augenblick bedachte mich Mat mit seinem trägen Lächeln. »Na gut. Würdest du uns entschuldigen, Frank?«
Frank stand auf. »Natürlich. War nett, Sie zu sehen, Paul.«
Er nickte uns zu und ging. Ich war mir ziemlich sicher, daß er belauschen würde, was Mat und ich uns zu sagen hatten, aber selbst das war immer noch besser, als ihn um sich zu haben.
»Einen Drink, Paul?« Mat wies auf das Sideboard.
»Etwas später vielleicht, Mat. Dieser Krom, dieser Kriminologieprofessor, sitzt uns im Nacken.«
Er verharrte reglos. Er wußte, wer Krom war. All das Zeug über den Mann und seine Ansichten, das mir die Leute vom Archiv zugeleitet hatten, hatte ich an Mat weitergeleitet. Er war jetzt dabei, es im Geist Revue passieren zu lassen. Als das geschehen war, entspannte er sich wieder.
»Erzählen Sie, Paul.«
Ich erzählte ihm von der ersten Phase meiner Begegnung mit Krom und wartete.
»Ein törichter Mann«, bemerkte er, »aber Sie halten ihn nicht für dumm, schätze ich. Wenn Sie es täten, wären Sie nicht hier.«
»Nein, dumm ist er nicht. Er hat es jedoch ein bißchen mit der Angst bekommen bei dem Schritt, den er unternommen hat.«
»Mit der Angst vor Ihnen?«
»Vor mir, vor uns. Er hat Freunde im niederländischen Justizministerium, die mit seinen Ansichten über unsere geschäftlichen Aktivitäten sympathisieren. Er hat Freunde gleicher Gesinnung im westdeutschen Geheimdienst. Der Mann, unter dessen Namen er an dem Seminar teilnimmt, ist ein reicher Luxemburger mit politischen Verbindungen. Krom hatte alle in die Gründe für seine Teilnahme und in seine beruflichen Absichten eingeweiht, bevor er anreiste. Er hat überdies eidesstattliche Erklärungen zur Kramer-Affäre bei Universitätskollegen hinterlegt.«
Ich machte eine Pause und wartete auf einen Kommentar. Nach einem Augenblick begann er leise zu pfeifen. Baden-Powell zufolge lächelt und pfeift der gute Pfadfinder bei allen Schwierigkeiten. Mat hatte es aufgegeben, bei Schwierigkeiten zu lächeln, aber die Angewohnheit, bei ihnen zu pfeifen, die er sich als Knabe zulegte, war er nicht wieder losgeworden. Die Melodie war immer dieselbe, die einer Just a Song at Twilight betitelten schmalzigen viktorianischen Ballade. Er muß sie von irgendwelchen heimwehkranken Briten aufgeschnappt haben. Sie von Mats Lippen kommen zu hören mutete sehr seltsam an. Baden-Powell hat selber eingeräumt, durch sein Pfeifen zuweilen Ärger gekriegt zu haben. Der häufige öffentliche Gebrauch dieses Mittels gegen auftretende Schwierigkeiten im Burenkrieg hatte ihm in gewissen Offizierskreisen den Ruf eines Exzentrikers eingetragen und bei einer Gelegenheit dazu geführt, daß er von einem Soldaten kaltherziger Gleichgültigkeit gegenüber den Gefühlen anderer bezichtigt wurde.
Das Pfeifen hörte auf. »Was hat er in Händen?«
»Er hat lange Zeit über Symposia und mich gearbeitet. Er hat mich in der Oberholzer-Rolle erkannt. Er weiß noch andere Dinge. Wenn er alles zu wissen bekommt, will er es, ohne Namen zu nennen, veröffentlichen; bekommt er nicht alles zu wissen, dann, so droht er, wird er das, was er weiß, einem amerikanischen oder westdeutschen Nachrichtenmagazin andienen und Namen nennen.«
»Alles, was er hat, ist Hörensagen. Er blufft. Sie hätten Polo mit ihm spielen sollen, Paul.«
Ein weiteres Baden-Powell-Rezept. Mit jemandem Polo spielen heißt in diesem Zusammenhang ihn ausmanövrieren, indem man ihn von der Richtung abdrängt, in die man selber gehen will. Die Metapher wurde von B.-P. zuerst, glaube ich, in seinem Aufsatz über die Freuden der Einübung von Bajonettgriffen verwendet.
»Es hat nicht funktioniert, Mat.«
»Sie hätten ihn mit irgendwelchem hochgestochenem Unsinn einseifen sollen.«
»Habe ich. Ich forderte ihn auf, den Begriff ›Verbrechen‹ zu definieren. Ich fragte ihn, ob er nicht glaube, daß der Begriff weitgehend eine Fiktion sei, erfunden von Politikern, die als Gesetzgeber posieren, und Gesetzgebern, die so tun, als seien sie frei
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