Bitte keine Rosen mehr
Ich nehme mich selber nicht aus. Was hätten wir in unserer Unwissenheit mit so viel alter Vogelscheiße, mit so viel Phosphat angefangen? Nichts. Unsere Ausbeutung durch die Mächte war das Beste, was uns jemals passieren konnte. Selbst das amerikanische Bombardement war gut. Schlichte Menschen freuen sich über lautes Knallen. Leider war ich nicht da, um es hören zu können. Als die Japaner Pearl Harbor angriffen, war mein Vater so gedankenlos gewesen, mich auf Fidschi zurückzulassen, während er mit seinem Schiff abdampfte, um für das Britische Empire zu kämpfen.«
Die methodistischen Missionare, die ihn in ihre Obhut nahmen, sollten ein paar verblüffende Erfahrungen mit ihm machen.
Mit zehn hatte Mat keine Bildung außer dem, was er von seinen Eltern und auf den Schiffsreisen mit ihnen gelernt hatte. Sein Vater hatte ihm englisch lesen und schreiben sowie die mathematischen Grundlagen der Navigation beigebracht; auf diesen Reisen hatte er Brocken diverser Inselsprachen aufgeschnappt; von der Mannschaft hatte er sich über die Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten unterrichten lassen, die in australasiatischen Häfen geboten wurden; und, was zu der Zeit für ihn das Wichtigste war, seine Mutter hatte ihm die heidnischen Legenden ihrer Vorfahren erzählt. Sie machte ihn auch mit der Macht und der Ausübung der Magie vertraut; vor allem übermittelte sie ihm die Geheimnisse todbringender Zaubersprüche und anderer Rituale defensiver wie auch offensiver Art, mit welchen die persönliche Sicherheit gewährleistet oder Macht über andere errungen werden kann.
Im Sommer 1942 kam die Nachricht, daß Mats Vater mit seinem Schiff und einer Anzahl von Flüchtlingen aus Singapur vor der Küste Javas untergegangen war. Noch im gleichen Jahr starb seine Mutter an einem Nierenleiden. Als er Waise geworden war, taufte man Mat.
Die Lehrer der Missionsschule, hoch erfreut darüber, einen begabten Schüler unterrichten zu können – in Mathematik galt er als Wunderkind –, dürften den Tod der Mutter kaum bedauert haben. Nachdem sie so lange den gerechten Kampf gegen den heidnischen Aberglauben mit den Waffen des christlichen Aberglaubens geführt hatten, muß es sie entmutigt haben, daß ihr begabter Schüler seine bedauernswerten Klassenkameraden mit einem Todesfluch aus grauer Vorzeit um ihr bißchen Verstand bringen konnte. Er hatte keinerlei Interesse an der Religion gezeigt, in der man ihn jetzt unterwies.
Seine plötzliche Begeisterung für das Pfadfindertum wurde, seltsam, wie sie sich damals ausnehmen mochte, zweifellos mit beträchtlicher Erleichterung zur Kenntnis genommen.
Ich habe mich vor Jahren einmal mit einem pensionierten Kolonialoffizier unterhalten, der während der letzten drei von den sieben Jahren, die Mat auf Fidschi verbrachte, dort Dienst tat. Er wußte über Mat hauptsächlich deswegen Bescheid, weil er sich als höherer Beamter um die weitere Erziehung und Ausbildung des Jungen kümmern mußte; aber das war nicht der einzige Grund gewesen. Er hatte sich amüsiert daran erinnert, daß Mat, als er bereits im Begriff war, ein Stipendium zu gewinnen, und mit Hilfe des Government House die Zuwendungen beantragte, die es ihm ermöglichen sollten, als Student in London zu leben, für den Ehrentitel Pfadfinder des Königs vorgeschlagen wurde.
»Ich wette, das haben die Leute von der London School of Economics nicht gewußt«, sagte er und schmunzelte wieder. »War Ihnen bekannt, daß es einmal eine Zeit gegeben hat, in der der Junge tatsächlich von den Eltern eines älteren Mitschülers wegen Hexerei und Schwarzer Magie öffentlich angeklagt wurde? Es war kein Fall für ein ordentliches Gericht, weil beide Jungen minderjährig waren und es kein Gesetz gab, das sich mit minderjährigen Medizinmännern befaßte, aber eine Untersuchung mußte aufgrund der Klage anberaumt werden, und ich wurde dazu abkommandiert, sie zu leiten. Wissen Sie, was der unverfrorene Lausebengel tat?«
»Sie meinen Mat Williamson?«
»Ja. Bei der Vernehmung überreichte er mir, sehr artig, eine Liste mit Fragen, die er den Eltern des anderen Jungen gestellt haben würde, wäre er Angeklagter vor einem Gericht für Erwachsene gewesen. Ob ich, da es ihm unter den obwaltenden Umständen verwehrt war, sie zu stellen, dies bitte meinerseits für ihn tun könne? Nun, das Ersuchen klang so einleuchtend und er sah so todernst und bestürzt aus, daß ich verdammter Narr mich einverstanden erklärte. Hätte mir die Fragen natürlich
Weitere Kostenlose Bücher