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Bitte keine Rosen mehr

Bitte keine Rosen mehr

Titel: Bitte keine Rosen mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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gewesen sei – wir hatten mittlerweile Nachahmer gefunden –, aber er war ohne Frage der sicherste und zuverlässigste.
    Nachdem mir schließlich im November eröffnet worden war, daß die Armee meine Dienste nicht mehr benötigte, erbat ich einen Marschbefehl nach London, um dort demobilisiert zu werden. Auf Carlos Weisung kam ich um einen britischen Paß ein und ließ zudem meine argentinischen Papiere erneuern, bevor ich nach Mailand zurückkehrte. Von Mailand reiste ich nach Lugano, wo ich etwa eine Woche damit verbrachte, ein paar weitere Kniffe zu erlernen. Von München aus schrieb ich meiner Familie und erklärte ihr, daß ich mich auf den Schrotthandel geworfen hätte.
    Der Codename, den mir Carlo gab, damit ich ihn zur Beglaubigung vertraulicher Botschaften benutzte, war ›Oberholzer‹.

    1956 mußte sich Carlo einer Gallenblasenoperation unterziehen. Der Chirurg, der sie vornahm, verpfuschte die Sache irgendwie, und im weiteren Verlauf des Jahres wurde eine zweite Operation erforderlich. Zwar erholte sich Carlo auch davon, aber es war eine lange, schwächende Krankheit, und sie veränderte ihn. Ich meine nicht, daß er vorzeitig alterte, wenngleich ich beobachtet habe, daß schwere Erkrankungen sich auf Personen, die in den Sechzigern sind, so auswirken können. Was mit Carlo passierte, war, daß sich das Grundmuster seiner charakteristischen psychologischen Reaktionen in dem Maße, wie er sich physisch erholte und wieder zu Kräften kam, graduell zu intensivieren schien. Er wurde zu einer übertriebenen, überlebensgroßen Version seiner selbst. Dinge, die ehedem bei ihm lediglich jenes bereitwillige Lächeln hervorgerufen hätten, ließen ihn jetzt laut lachen. Dinge, die er ehedem als bloße Belästigungen beiseite gewischt hätte, verursachten jetzt Wutausbrüche. Es war, als habe er im Kampf für seine Gesundheit das emotionale Gewicht einiger alter, aber ganz wesentlicher Hemmungen abwerfen müssen. Das Ergebnis war ein in vieler Hinsicht gewinnenderer Mann, aber auch ein eindrucksvollerer und zuweilen beängstigenderer. Ich habe gesagt, daß Carlo rachsüchtig sein konnte. Nach seiner Krankheit konnte er in grausamer Weise rachsüchtig sein. Der Mann, der den Butterzug-Coup ersinnen konnte, war auch imstande, sich mit Genuß unangenehmeren Belustigungen zu widmen.
    Seine Behauptung, unsere Bank sei eine, auf die es einen Run nie geben könne, hatte sich als berechtigt erwiesen. Was das betraf, hatten wir nichts zu befürchten; und nach 1951, dem Jahr, in welchem die Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz, den USA und dem Vereinigten Königreich in Kraft traten, konnte kein Run mehr auftreten. Unsere ›Klienten‹, eine abgefeimte Bande von Gaunern mit hochempfindlichem Instinkt fürs Überleben, würden niemals alle zur gleichen Zeit durchdrehen.
    Das heißt jedoch keineswegs, daß nicht einige von ihnen im Lauf der Jahre ihr Depot abzogen, nachdem sie sich eigene Wege, es zu verbuchen, ausgetüftelt hatten. Einige davon funktionierten. Nur wenige Klienten jedoch versuchten es mit der Erbschaftsmethode, um an ihr Geld heranzukommen, und von denen, die das taten, kriegten die meisten, wie Carlos es vorausgesehen hatte, kalte Füße, bevor es zur Auszahlung kam.
    Die typischen amerikanischen Klienten, die ihr Konto bei uns aufzugeben wünschten, waren gewöhnlich auf Geschäfts- oder Vergnügungsreisen in Europa. Zumeist schrieben sie, nachdem sie die Vereinigten Staaten verlassen hatten, und zwar im allgemeinen aus London oder Paris, um anzukündigen, daß sie auf dem Wege zu uns seien. Diejenigen, die unangemeldet direkt nach Lugano reisten, wurden nach Mailand verwiesen, und Carlo erhielt umgehend, entweder telegrafisch oder telefonisch, durch einen unserer Kuriere eine Vorwarnung. Wenn solche Klienten eintrafen, waren sie im allgemeinen, und durchaus verständlicherweise, ein bißchen aufgeregt. Zweifel und Gier plus etwas Wut und eine Menge Angst ergeben eine beunruhigende Gefühlsmischung; aber mit den meisten war ganz leicht fertig zu werden.
    Der eine, der Carlo so sehr aufbrachte, machte eine Ausnahme in mehrfacher Hinsicht. Zum einen war er nicht aufgeregt, bloß gereizt. Zum andern war er, seit ich ihn in Deutschland angeworben hatte, in die Vereinigten Staaten zurückgekehrt und hatte sich dort in der Zwischenzeit unter dem GI -Bill of Rights zum Buchprüfer ausbilden lassen. Überdies hatte er eine Bücherrevisorin geehelicht, die er kennengelernt hatte, als sie beide einen

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