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Bitte keine Rosen mehr

Bitte keine Rosen mehr

Titel: Bitte keine Rosen mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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sah Carlo an. Er hatte seine Hand schon auf dem Intercomgerät, das ihn mit dem Vorzimmer verband. Er drückte die Taste und sagte auf englisch: »Bringen Sie mir den laufenden vertraulichen Kontoauszug von Mr. Vic.«
    Zu Vic sagte er: »Ich nehme an, Sie können die ursprünglichen Empfangsbestätigungen vorlegen, die ich notariell beglaubigt hatte. Sie haben sie bei sich?«
    »Klar.« Er langte nach der Aktentasche und entnahm ihr eine altertümliche Ledermappe von der Art, die von einem Leinenband zusammengehalten wird. Er löste das Band, holte die Empfangsbestätigungen hervor und breitete sie sorgsam fächerförmig vor Carlo aus. »Wie viele Erdnüsse sind sie jetzt wert?« fragte er aufsässig.
    Was mich sofort interessierte, war ihr Zustand. Ich hatte eine Anzahl solcher zur Inspektion in Carlos Büro vorgewiesener Empfangsbestätigungen gesehen, und stets sahen sie selbst noch für seinen eleganten Papierkorb ungeeignet aus. Entweder waren sie eselsohrig und fettig von langen Jahren verstohlenen Hervorholens und Betrachtens, oder sie waren so zerknittert, gefaltet und erneut gefaltet, um an den ausgefallensten Orten versteckt werden zu können, daß sie nahezu auseinanderfielen. Vics Empfangsbestätigungen waren allesamt säuberlich und glatt. Er war nicht nur gerissen und impertinent, sondern, so schien es, auch schrecklich selbstsicher.
    Carlos dienstälteste Sekretärin, die Urmutter, kam mit der Kontoabrechnung herein und legte sie ehrerbietig vor ihm auf den Tisch.
    Normalerweise, das heißt angesichts eines Klienten, der sich wohlverhielt und lediglich gekommen war, um sich über den Stand seines Guthabens zu unterrichten, hätte Carlo die Abrechnung noch ein paar Minuten lang liegen gelassen, während er über irgendeinen jungen Bildhauer, dessen Arbeiten ihm aufgefallen waren, die Überraschungen bei Währungsspekulationen oder über sonst irgend etwas, das ihm zufällig so in den Sinn kam, kenntnisreich plauderte. Tatsächlich waren die halbjährlichen Abrechnungen sein ganzer Stolz und seine besondere Freude. Er erstellte sie selber, und sie waren Meisterwerke der Irreführung. Zu seinen größten Vergnügungen gehörte es, zu sehen, wie ein Klient beim Studium seiner Kontoabrechnungen die Lippen spitzte und dann wissend nickte, als sei ihm alles vollkommen verständlich. Carlo glaubte, daß das einleitende Geplauder – er nannte es sein Abrakadabra – den Vorgang erleichterte, indem es den Klienten benebelte.
    Bei Vic jedoch funktionierte das Abrakadabra offenkundig nicht. Zudem ging ihm der Bursche auf die Nerven. Die Sekretärin hatte den Raum noch nicht verlassen, als er sich auch schon vorbeugte und den Hefter mit der Abrechnung in Vics Richtung schnellte.
    Vic fing ihn geschickt auf, öffnete ihn und verbrachte etwa zehn Sekunden damit, einen Blick auf seine drei Seiten zu werfen. Dann klappte er den Hefter wieder zu und warf ihn so zurück, daß er genau unter Carlos Nase auf den Tisch klatschte.
    »Mr. Lech«, sagte er, »ich habe dreiundsiebzigtausend Dollar von mir bei Ihnen gelassen. In acht Jahren sind aus diesen Dollars einhundertsechsundachtzigtausend Irgendwas geworden. Erste Frage: Was für eine Art Irgendwas? Lire?«
    Carlo schob den Hefter mit der Abrechnung zur Seite, als beleidigte ihn jetzt dessen Anblick. »Amerikanische Dollars natürlich«, sagte er. »Sie haben Ihr Geld mehr als verdoppelt.«
    Vic blickte nicht im mindesten erfreut drein. Er sagte nur: »Wie? Wie habe ich es verdoppelt? Erzählen Sie mir das, Mr. Lech.«
    Carlo tippte flüchtig auf den Hefter, ohne hineinzusehen. »Das steht alles hier drin, Sir. Ich dachte, Sie könnten Zahlen lesen.«
    Vic gab einen Laut von sich, der so klang, als spucke er aus. »Na klar kann ich Zahlen lesen, wenn ich weiß, wie sie frisiert worden sind. Jetzt erzählen Sie mir – oder vielmehr, Ihr Bürschchen Paul hier will mir jetzt erzählen, daß mein Geld gar nicht auf dieser Bank gelegen hat. Wo ist es also gewesen?«
    »Auf Ihre Weisung hin haben wir es auf ein Depositenkonto gelegt.«
    »Ah, jetzt kommen wir der Sache schon näher. Auf meine Weisung, sagten Sie. Stimmt’s? Wo hatten Sie es angelegt? In mündelsicheren deutschen Wertpapieren? Schering? Siemens? Daimler-Benz? Hoechst? Woraus setzte sich das Paket zusammen?«
    Carlo besaß ein ebenholzgerändertes, kleines silbernes Lineal, das er als Briefbeschwerer benutzte. Damit hieb er plötzlich auf den Tisch. »Das reicht, Sir«, sagte er streng, »ich bin

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