Bitte keine Rosen mehr
Weiterbildungskurs in Betriebswirtschaftslehre besuchten. Sie hatte dann in einer Firma von Wall-Street-Anlagefinanziers gearbeitet. Nach ihrer Heirat hatten sie sich gemeinsam selbständig gemacht und eine auf Datenverarbeitungspersonal spezialisierte Arbeitsvermittlungs-Agentur gegründet.
Dieser Kunde unterschied sich so sehr von unserem prototypischen Mr. Q., daß ich ihn Vic – wie Victor (Sieger) und victim (Opfer) – nennen werde.
Als ich ihm erstmals begegnete, hatte sich Vic auf dem bereits übersättigten Markt für gestohlene PX -Artikel betätigt, aber später, dank einer günstigen Stationierung und einer Beförderung, auf den Handel mit Armee-Lastwagenreifen verlegt und das große Geld gemacht. Als seine Dienstzeit in Deutschland um war, hatten wir mehr als siebzigtausend Dollar für ihn in Verwahrung, und er verwahrte, obwohl er Carlo nur einmal begegnet war, neun der notariell beglaubigten Empfangsbestätigungen. Der Kurierdienst, den wir unterhielten, machte derartige Transaktionen, nachdem bei einem anfänglichen Zusammentreffen das Vertrauen einmal hergestellt worden war, mehr oder weniger zu einer Routineangelegenheit und auch wesentlich sicherer. Das Treffen fand üblicherweise unweit von Zug statt, wo Carlos Holdinggesellschaft eingetragen war.
Vic avisierte seine Ankunft in Mailand nicht, und aus Lugano hörten wir nichts, weil er gar nicht erst dorthin gereist war. Ich hatte damals andere Projekte zu überwachen und teilte meine Zeit zwischen Mailand und drei weiteren Städten. Der Zufall wollte, daß ich da war, als Vic uns ins Haus schneite. Ein glücklicher Zufall, wie ich glaube; nicht weil der Anlaß auch nur im geringsten erfreulich gewesen wäre, sondern weil er mich dazu brachte, eingehender über Carlo nachzudenken, als ich es bis dahin getan hatte. Natürlich zog er mich zu, um seinen alten Klienten und meinen alten Freund zu begrüßen.
Zunächst ließ Vic keinerlei Anzeichen von Gereiztheit erkennen. Er war nicht gerade leutselig, aber höflich, kühl und gesammelt. Er hatte eine brandneue Gucci-Aktentasche bei sich, die er sorgsam zwischen seinen Beinen auf den Boden stellte. Dann erzählte er uns, was für eine wundervolle kleine Frau er geheiratet hatte und warum er gar nicht erst nach Lugano gereist war.
Einen Monat zuvor hatten sie davon gesprochen, ihr Geschäft auszuweiten und ein zweites Büro in Chicago zu eröffnen. Sie hatten von dem zusätzlichen Kapital geredet, das dazu nötig sei, und von der Schwierigkeit, es zu borgen. In diesen Nachtwachen hatte Vic ihr eröffnet, daß er während seiner Dienstzeit in der Armee nicht immer bloß ein schlichter Soldat gewesen war.
Mrs. Vic hatte sein Geständnis mit Überraschung, aber nur vorgetäuschtem Entsetzen vernommen. Sie waren doch beide nur Menschen, nicht wahr? Nachdem ihre Überraschung abgeebbt war, hatte ihre Neugier obsiegt. Ihre Wall-Street-Erfahrungen hatten ihr eine gewisse Kenntnis schweizerischer Bankgepflogenheiten vermittelt. Was für eine Art von Bankkonto, hatte er gesagt, habe er? Ein anonymes ? Hatte er nicht ein numeriertes gemeint? Nein, er hatte ein hundertprozentig anonymes Nummernkonto gemeint. Na, Schätzchen, da habe ich aber eine Neuigkeit für dich. Es gibt Nummernkonten, aber keine hundertprozentig anonymen. Nun gut, dein Name tritt extern nicht in Erscheinung, aber intern tut er das. Die einzige Anonymität liegt darin, daß nicht mehr als fünf Bankangestellte den Namen des Kontoinhabers mit der Nummer in Übereinstimmung bringen können. Sag mir doch einmal genau, wie du dies Konto eröffnet hast. Was für eine Art von Antrag hast du unterschrieben?
Vic wandte den Blick aus zusammengekniffenen Augen jetzt in meine Richtung. »Wie viele andere Einfaltspinsel haben Sie angeworben, Paul-Baby?«
»Sie hatten ein anonymes Konto.«
»So was gibt es gar nicht.«
»So was gibt es heute nicht. Die Bestimmungen sind geändert worden, als das Doppelbesteuerungsabkommen unterzeichnet wurde.«
»Quatsch!«
Ich bedachte ihn mit einem müden Blick. »Wenn Sie nicht selber darauf bestanden hätten, daß Kontakte zwischen uns aus Sicherheitsgründen nur auf Ihre Initiative hin erfolgen sollten, wären Sie schon längst über die Situation informiert worden. Warum projizieren Sie Ihre Paranoia auf uns? Hätten Sie sich schlicht und einfach an die Bank in Lugano gewandt, wären Sie automatisch an uns hier verwiesen worden.«
»Na, und da ich jetzt unautomatisch hier bin, wo ist das Geld?«
Ich
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