Bitte keine Rosen mehr
jenem Tag zwar sorglos gewesen sein, aber ich war doch nicht wirklich leichtsinnig. Wenn man einen Decknamen benutzt, macht man es sich zur Regel, ihn so wenig als möglich im Mund zu führen, um ihn nicht unnötig zu strapazieren. Als ich der jungen Dame im Fremdenverkehrsbüro meinen Namen nannte, wandte ich instinktiv einen alten Trick an.
In den meisten Ländern gefällt sich die Amtssprache darin, bei behördlicher Aufnahme der Personalien eines Staatsbürgers dessen Zunamen voran und den Vornamen nachzustellen. In vielen Gegenden Asiens ist diese Reihenfolge auch die gesellschaftlich übliche. Auf dem europäischen Festland und in Südamerika überschneiden sich beide Gepflogenheiten. Versicherungspolicen mögen auf Oberholzer, Reinhardt oder Reinhardt Oberholzer ausgestellt sein. Bei formellen Anlässen unter Fremden kann man die Hacken zusammenschlagen und sich als Oberholzer, Reinhardt vorstellen, während man bei weniger steifen Gelegenheiten der liebe, gute alte Reinhardt Oberholzer ist. Der jungen Dame im Fremdenverkehrsbüro gab ich meinen Namen mit Oswald Reinhardt an, wobei ich ›Oswald‹ etwas undeutlich aussprach, so daß ich, falls nötig, jederzeit behaupten konnte, sie habe sich verhört.
Als ich nach einem nochmaligen Abstecher in das Warenhaus, wo ich eine Reisetasche und Wäsche zum Wechseln besorgte, ins Fremdenverkehrsbüro zurückkehrte, hatte man ein Zimmer für mich. Es befand sich in einem Hotel der zweiten Kategorie oben beim Botanischen Garten. Dem Portier dort war mein Name vom Büro als O. Reinhardt angegeben worden, und er erachtete es als müßig, sich den Oberholzer-Paß genauer anzusehen, mit dem ich herumfummelte, bevor ich den polizeilichen Meldezettel ausfüllte.
Das Hotel befand sich in einer angenehmen Straße mit vielen Bäumen, die ihr im Sommer vermutlich ein recht ländliches Aussehen verliehen. Unglücklicherweise befand es sich auch unmittelbar neben einer Kirche. Ihr Turm beherbergte ein komplettes Glockenspiel, das, wie ich sehr bald feststellen mußte, in technisch einwandfreiem Zustand war und ebenso laut wie pünktlich läutete. Als der Portier mir das Zimmer zeigte, sagte er mit falschem, aber geübtem Lächeln, daß viele Gäste den Klang der Glocken besonders schätzten. Die Vorstellung, zum Fremdenverkehrsverein zurückzukehren und das Ganze von vorn zu beginnen, reizte mich wenig, und so fragte ich nach dem Weg zur nächsten Apotheke.
Sie befand sich ein paar Straßen weiter in einem kleinen Einkaufsbezirk, der ein Stadtviertel versorgte, das aus Geschäfts- und Wohnhäusern bestand. In einem Miniatursupermarkt kaufte ich einen halben Liter Whisky. In der Apotheke kaufte ich außer Rasierapparat, Seife und Zahnbürste eine Packung Ohrenstöpsel. Und auf dem Rückweg zum Hotel – ich hatte beschlossen, einen anderen Weg zu nehmen, einen, von dem ich annahm, er sei dem Wind weniger ausgesetzt – sah ich dann das Blumengeschäft.
Wenn ich auch Blumen mag und Blumengeschäfte normalerweise angenehm finde, so gehöre ich doch nicht zu denen, die ihnen nicht widerstehen können. Der Zufall wollte jedoch, daß durch die Schaufensterscheibe dieses Blumengeschäfts eine bemerkenswert hübsche junge Frau zu sehen war. Sie besprühte die Blätter einiger Philodendren, und die Art, wie sie die Arme hob, nahm sich ungemein vorteilhaft für sie aus. Als ich meine Schritte verlangsamte, um die Aussicht zu bewundern, verspürte ich den unwiderstehlichen Drang, in dem Laden Zuflucht vor dem kalten Wind zu suchen und mit einem Kranz von Oberholzer bei Kramers Trauerfeier die Feindseligkeit seiner Damen zu mildern und sie zugleich in ihrer Verschwiegenheit zu bestärken.
So trat ich denn ein.
Sobald die junge Frau keine auf hohen schmiedeeisernen Schaugestellen plazierten Pflanzen besprühte, machte sie eine weniger gute Figur, aber sie war fröhlich und freundlich. Einen Kranz würde sie nicht empfehlen, sagte sie, weil ihr Teilhaber, der sonst die Kränze binde, mit Grippe im Bett liege. Wenn ich darauf bestände, würde sie ihr Bestes tun, um termingerecht einen hübschen Kranz anzufertigen, aber da er morgen bereits vor neun Uhr dreißig in der Leichenhalle des Hospitals sein müsse, finde sie einen Blumenstrauß in diesem Fall wirklich besser. Wie es denn mit ein paar von jenen Treibhausrosen dort drüben wäre? Natürlich würden sie sich nicht bis übermorgen halten, aber bei diesem Wetter würden auch Blumen in einem Kranz das nicht tun. Man konnte nicht bloß
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