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Bitte keine Rosen mehr

Bitte keine Rosen mehr

Titel: Bitte keine Rosen mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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Grünzeug schicken, nicht wahr? Wenn ich mich für die Rosen entschiede, wolle sie dafür sorgen, daß sie gut eingewickelt und schnurstracks in die Leichenkapelle gebracht würden. Für einen Deutschen wie mich würden sie nicht so arg teuer werden, und wenn ich den ganzen Posten übernähme – die roten, gelben und rosa würden sich zusammen sehr hübsch ausnehmen –, würde sie mir einen Rabatt einräumen. Sie war eine gute Verkäuferin mit einem Restposten kümmerlicher Rosen, die das Wochenende sowieso nicht überdauern konnten.
    Nachdem der Handel jedoch einmal abgeschlossen war und ich an einem kleinen Tisch saß, konventionelle Wendungen des Mitgefühls auf ein Kärtchen schrieb, das den Blumen beigegeben werden sollte, und es in das ebenfalls zur Verfügung gestellte Kuvert steckte, wurde sie neugierig. Daß ich kein Schweizer oder Österreicher war, hatte sie meinem Akzent angemerkt, aber sie konnte sich weder darüber schlüssig werden, ob ich Nord- oder Süddeutscher sei, noch vermochte sie sich die Art meiner Beziehung zum Verstorbenen zusammenzureimen. Als ich ihr Angebot, mir eine Quittung auszustellen, ausschlug und sie die Registrierkasse betätigte, bemerkte sie, daß sie dort oben nicht viele ausländische Kunden hätten, die Blumen kauften, und fragte mich, wo ich abgestiegen sei. Als ich es ihr sagte, blickte sie aufrichtig besorgt drein, behauptete jedoch sogleich tapfer, aber mit sogar noch geringerer Überzeugungskraft als der Portier des Hotels, was auch dieser behauptet hatte, daß manche Leute den Klang der Glocken ganz besonders schätzten. Sie war nicht länger neugierig, aus welcher Gegend Deutschlands ich stammte. Sie wußte jetzt, daß ich nicht wiederkommen würde, jedenfalls nicht in jenes Viertel Zürichs. Als ich den Laden verließ, steckte sie meine Beileidszeilen an die Familie Kramer in einen kleinen Plastikbeutel, der sie vor den Unbilden der Witterung schützen sollte.
    Ich lunchte gut, weit weg vom Hotel, verbrachte den Nachmittag in einem Kino und aß frühzeitig – und ausgezeichnet – zu Abend. Die Nacht jedoch war scheußlich.
    Die Ohrenstöpsel halfen nur wenig, und der Whisky half gar nicht. Jedesmal, wenn die Turmuhr schlug, klirrten die Fensterscheiben unter dem Gedröhn der Glocken, und man konnte die Vibration fühlen, die die Sprungfedern weiterleiteten, oder jedenfalls bildete ich mir ein, daß ich das spürte; und natürlich hörte man am Ende auf, an Schlaf überhaupt nur zu denken, und lag nur da und wartete auf den nächsten Überfall.
    Um drei Uhr morgens nahm ich ein Sesselkissen, den Bettüberwurf und sämtliche Kissen, Bettücher und Decken, deren ich habhaft werden konnte, und bereitete mir eine Art Lager im Badezimmer, wo das Dröhnen des Glockenturms, wie ich bemerkt hatte, etwas gedämpft war. Dort gelang es mir, zwei Verabfolgungen des viertelstündlichen Geläuts zu verdösen, ehe der Badezimmerfußboden sich fühlbar machte und die 4-Uhr-Glockenschläge meine letzte Hoffnung auf Schlaf erschütterten. Den Rest der Nacht verbrachte ich, den Bettüberwurf über dem Kopf, aufrecht in einem der Sessel sitzend.
    Ausflüchte, so mag man einwenden. Der Mann macht einen Narren aus sich. Offenbar muß er auf irgend jemanden oder irgend etwas die Schuld schieben, warum also nicht auf die Kirchenglocken oder die schlaflose Nacht.
    Keineswegs. Meine Fehler bei dieser Sache hatte ich alle bereits am Vortag begangen. Bemerkenswert ist vielmehr, daß ich nach der schlaflosen Nacht nicht Beruhigungstabletten brauchte, um mit solcher Entschiedenheit und Effizienz zu handeln.
    Bis halb sechs saß ich in dem Sessel. Dann rasierte ich mich, nahm ein Bad, zog mein neues weißes Hemd an, band mir die schwarze Krawatte um und wartete auf das Tageslicht. Um halb sieben, als es noch dunkel war, ging ich hinunter und fragte den Nachtportier, ob ich ein Taxi bekommen könne. Er sagte, es würde eine Weile dauern, aber er würde mir telefonisch eines bestellen. Als er das getan hatte, fragte ich ihn, ob ich Kaffee bekommen könne. Die Küche öffnete nicht vor sieben. Ich überlegte, ob ich die Zeit anders totschlagen sollte, dachte an die Rechnung und fragte, ob ich sie begleichen könne. Ja, das konnte ich. Zu meiner Überraschung – bis ich den Ausdruck der Resignation im Gesicht des Nachtportiers sah. Ich war offenbar nicht der erste Gast in jenem Haus, der es eilig hatte wegzukommen. Und ich würde auch nicht der letzte sein. Sehr frühe Abreisen waren normal.
    Ich

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