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Bitte keine Rosen mehr

Bitte keine Rosen mehr

Titel: Bitte keine Rosen mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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bewußt war, darin, daß ich mich des Vornamens der Witwe nicht entsinnen konnte und Kramers persönliches Dossier mit seinen Personalien nicht bei mir hatte.
    Irgendwann fiel er mir ein – Frieda. Nach dem Frühstück machte ich einen Spaziergang und fand ein Warenhaus, wo ich eine schwarze Krawatte erstand.
    Inzwischen war es zehn Uhr dreißig, und ich ging zum Bahnhof zurück, um in der Kramerschen Wohnung anzurufen.
    Die Stimme, die sich meldete, war die einer jüngeren Frau als Frieda; wie sich herausstellte, gehörte sie ihrer verheirateten Tochter. Sie nahm mein Beileid durchaus höflich im Namen ihrer Mutter entgegen, aber als ich fragte, ob ich mit der Mutter sprechen könne, änderte sich ihr Tonfall merklich.
    »Ist das vielleicht zufällig Herr Oberholzer aus Frankfurt?« fragte sie.
    »Ja. Ich bin ein alter Freund Ihres Vaters.«
    »Das hat man mir zu verstehen gegeben.« Ihr Ton war jetzt ausgesprochen kühl. Das hätte mich wachsam machen sollen, tat es aber nicht. Diejenigen, die einen privaten Kummer nähren, nehmen – tatsächliche oder eingebildete – Versuche Außenstehender, ihn zu teilen, häufig übel.
    »Ich spreche für meine Mutter«, fuhr sie energisch fort.
    »Sie hat mich gebeten, Ihnen zu sagen, daß die Trauerfeier morgen vormittag um elf Uhr stattfindet. Das Krematorium ist in der Käferholzstraße. Blumen – sofern Sie welche schicken wollen – müßten bis neun Uhr dreißig in der Kapelle der Leichenhalle des Hospitals abgegeben werden.«
    »Danke. Ich bin Ihnen für den Hinweis sehr verbunden. Ich hoffe aber, Ihrer Frau Mutter zuvor meine Aufwartung machen und meine persönliche Anteilnahme ausdrücken zu dürfen. Ich hätte ihr gern noch heute morgen kurz vor Mittag, wenn das passen sollte, einen Besuch abgestattet.«
    »Nein, Herr Oberholzer, ich fürchte, das wird nicht passen. Heute sind nur Mitglieder der Familie hier. Aber meine Mutter hat Ihre Befürchtungen und Sorgen vorausgesehen. Sie bittet mich, Ihnen zu sagen, daß Ihre Papiere absolut sicher verwahrt sind und daß Sie sie jederzeit morgen nach der Trauerfeier abholen können. Es werden hier Sandwiches und Kaffee gereicht werden für diejenigen, denen der Sinn danach steht. Leben Sie wohl, Herr Oberholzer.«
    Sie legte auf.
    Selbst jetzt war ich nicht ernstlich beunruhigt. Unter dem emotionalen Streß nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes, hatte Frieda offenbar zu freimütig von Dingen gesprochen, die sie besser vergessen hätte; da aber ihre Kenntnis davon notwendigerweise auf das beschränkt war, was Kramer ihr in einem höchst unwahrscheinlichen Anfall enthemmter Schwatzhaftigkeit erzählt haben mochte, bedeutete sie keine ernsthafte Gefahr für mich, sondern bloß eine Unannehmlichkeit. Weil sie mich und meine Beziehung zu ihrem Mann mißbilligt hatte – wenngleich sie wohl das Geld, das sie einbrachte, kaum mißbilligte –, fühlte ich mich veranlaßt, in Zürich zu bleiben, wiewohl es für mich weder erforderlich noch ratsam war, das zu tun, und einer Trauerfeier beizuwohnen.
    Reiche Steuerhinterzieher und Besitzer von verheimlichten Devisen dazu zu überreden, einen dafür, daß man sie berät, zu bezahlen, ist nicht schwer; jedenfalls nicht, solange einem Möglichkeiten zu Gebote stehen, geeignete Sanktionen zu verhängen; aber sofern man nicht mit größter Vorsicht zu Werke geht, kann es gefährlich werden.
    Es läßt sich nicht bestreiten, daß jeder reiche Mann, der beschließt, sich den Steuergesetzen seines Landes zu entziehen , wo er sie doch, wenn er nur die geringe Mühe in Kauf und guten Rat in Anspruch nehmen würde, vermeiden könnte, im Grunde genommen, für wie gerissen man ihn, oberflächlich gesehen, auch halten mag, schlichtweg dumm ist.
    Er wird sich daher, wenn er, um seine Narrheit zu verbergen, zahlen muß, schwerlich mit dem Verlust abfinden. Ganz im Gegenteil wird er häufig auf die extravagantesten Ideen verfallen, um sich für die ›Ungeheuerlichkeit‹ zu rächen. Ich weiß von einem Fall, wo der betreffende Idiot sich doch tatsächlich aufmachte, das teuerste Gewehr kaufte, das auf dem Markt war, ein Zielfernrohr darauf anbringen ließ und sich mit dem Vorsatz, ein Scharfschütze zu werden, fleißig im Schießen übte.
    Tatsache ist, daß viele dieser sehr reichen Männer sich größtenteils wie altmodische psychopathische Gangster aufführen können. Die eigene Organisation vor solch wahnhafter Rachsucht zu schützen erfordert mehr als die übliche Sorgfalt und

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