Bitte keine Rosen mehr
Anschließend hielt man Kriegsrat und entschied, daß die beiden uns, sobald sie herausgefunden hätten, wer wir wirklich waren und wo wir gefunden werden konnten, umbringen lassen würden.
Der teure Detektiv hatte sich schleunigst von diesen Klienten getrennt. Als Carlo die Drohung zu Ohren kam, bestand seine Reaktion darin, eine Bonuszahlung von Kleister zu fordern und den amerikanischen Steuerbehörden ein ergänzendes Dossier über Torten zukommen zu lassen.
Das war vor mehr als einem Jahr gewesen. Kleister hatte den Bonus gezahlt, und Torten saß eine dreijährige Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung ab, nachdem er für das gleiche Vergehen bereits eine hohe Geldstrafe gezahlt hatte. Es stand zu erwarten, daß er nach Verbüßung von etwas mehr als einem Drittel der Strafe auf Bewährung freigelassen würde. Von dem Gerede, daß wir ausfindig gemacht und gekillt werden sollten, hatten wir nichts mehr gehört. Es hatte den Anschein, als würden K und T am Ende doch noch Vernunft annehmen.
Der Anblick dieser beiden Namen in der Aktenmappe rief ein eigenartiges Gefühl in mir hervor, hauptsächlich Ärger. Ich bezweifelte nicht, daß sie sich mit Wissen der Polizei dort befanden. Was sollte ich tun? In Panik geraten und mich vor den Bus werfen? Ihr sagen, was die Wörter in Wirklichkeit bedeuteten? Ihr die fehlenden Rezepte für Kleister und Torten à la Kramer geben? Um Gnade bitten? Mich irgendeines nicht näher bezeichneten Verbrechens bezichtigen? Tot umfallen?
Ich schob die Sachen in die Aktenmappe zurück und war sehr nahe daran, das Wagenfenster hinunterzukurbeln und das ganze Zeug hinauszuwerfen. Dann bedachte ich, welchen Ärger das dem Fahrer bringen würde, und wurde ruhiger. Ohnehin näherten wir uns dem Flugplatz.
Als wir dort anlangten, wies ich ihn an, zur Abflugsektion zu fahren, und murmelte etwas wie, daß ich dringend eine Maschine erwischen müßte, die es mir, wenn ich in Frankfurt oder München umstiege, ermöglichen würde, noch am Nachmittag desselben Tages in Hamburg zu sein. Dann entlohnte ich ihn großzügig, sah ihn wegfahren und ging zur Ankunftsektion durch.
Ich mußte annehmen, daß die Polizei ein Auge auf mich hatte, also blieb mir nicht viel Zeit; aber es gab zwei Dinge, die erledigt werden mußten, bevor ich Reißaus nehmen konnte.
Unter den im Ankunftsbereich mit einem Stand vertretenen Autoverleihfirmen befand sich auch diejenige, bei der ich am Vortag in Frankfurt den Wagen gemietet hatte. Ich erklärte dort, wo ich ihn auf dem Parkplatz abgestellt hatte, händigte den Parkschein aus, gab die Wagenschlüssel ab und zahlte mit meiner Oberholzer-Kreditkarte. Die Polizei mochte davon halten, was immer sie wollte. Ich hoffte, es könnte bestätigen, was ihr der Fahrer erzählen würde, nämlich daß ich auf dem Weg nach Hamburg sei. Sie würden etwa zehn weitere Minuten brauchen, um festzustellen, daß kein Oberholzer irgendeinen der Abflüge nach Westdeutschland gebucht hatte.
Außerdem mußte ich Carlo erreichen oder ihm zumindest eine dringende Botschaft zukommen lassen. Mit Hilfe der Telefonistin des Restaurants, die nichts dagegen hatte, zwanzig Franken zu verdienen, indem sie auf ihrem neuen PBX ein paar Knöpfe drückte, bekam ich eine Verbindung mit Mailand. Es war kurz vor zwölf Uhr mittags, und Carlo war noch nicht zum Mittagessen gegangen. Ich erzählte ihm in kryptischen Wendungen, was er sofort von den schlechten Neuigkeiten wissen mußte und was ich in diesem Zusammenhang zu tun gedachte. Ich bat sodann um die sofortige Entsendung eines Kuriers und nannte Einzelheiten für einen Treff. Carlo machte keine Einwendungen und stellte keine Fragen, sondern sagte, daß ich mich möglicherweise ein wenig gedulden müsse. Dann legte er auf.
Ich verließ das Flughafengebäude und ging zur Bushaltestelle. Ein Bus wollte gerade losfahren, doch ich erwischte ihn noch. Ich fuhr, wie schon am Vortag, bis zum Hauptbahnhof; aber diesmal nahm ich einen Zug, den, der kurz nach dreizehn Uhr von dort über Lausanne nach Genf ging. Er hatte einen Speisewagen, aber ich betrat ihn nicht. Der Mann, der zwischen den Aufenthalten unterwegs meine Karte knipste, mochte sich an mich erinnern, wenn er befragt wurde, aber es war überflüssig, auch noch einen Kellner auf die Liste derer zu setzen, die Reinhardt Oberholzer zuletzt gesehen hatten.
In Genf war der Wind sogar noch kälter als in Zürich, aber es schneite nicht, und die Sonne schien. Ich ging zum vereinbarten Treffpunkt, einem
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