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Bitte keine Rosen mehr

Bitte keine Rosen mehr

Titel: Bitte keine Rosen mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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English-Tea-Room in der Rue des Alpes.
    Ich mußte eine Stunde lang warten, bis der Kurier eintraf. Sie war eine kleine untersetzte Französin Mitte der Sechziger, sehr damenhaft, aber ziemlich furchterregend. Vor ein paar Monaten hatten zwei Lümmel versucht, ihr in der Pariser Metro die Handtasche zu entreißen. Beide mußten zunächst in der Unfallstation des nächsten Krankenhauses wegen erheblicher Schnitt- und Schürfwunden ärztlich versorgt werden, bevor sie in polizeilichen Gewahrsam kamen. Die Schnittwunden schienen von einer Rasierklinge zu stammen.
    Sie betrat den Tea-Room, blieb den Bruchteil einer Sekunde lang stehen, um mich ausfindig zu machen, und gab mir einen Wink.
    »Sie kommen am besten gleich mit«, sagte sie, »ich habe falsch geparkt.« Damit ging sie.
    Das Geld für Tee und Kuchen hatte ich bereits auf den Tisch gelegt. Ich brauchte nur noch meinen Mantel vom Garderobenständer neben der Tür zu nehmen und ihr zu folgen.
    Sie fuhr einen Renault mit Pariser Nummernschild, und sowie ich neben ihr auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte, gab sie auch schon Gas. Eine Unterhaltung fand nicht statt; sie fuhr nur, schnell und umsichtig, bis sie an eine Kreuzung kam, wo sie in die Avenue Henri-Dunant einbog. Sofern man nicht nach Norden oder Nordosten in den Jura oder nach Lausanne fährt, gelangt man praktisch auf jeder Hauptstraße, die aus Genf hinausführt, außer Landes und nach Frankreich. Die Avenue Henri-Dunant mündet in die Straße nach Annecy, und ich dachte, sie würde sie nehmen. Statt dessen bog sie plötzlich in eine große Tankstelle mit automatischer Wagenwaschanlage ein.
    Es war einer der männlichen Kuriere gewesen, der, als diese Dinger eingeführt wurden, als erster darauf hinwies, was für ein ausgezeichneter Sicherheitstrick sie seien. Für etwa anderthalb Minuten war man von der Außenwelt hermetisch abgeschlossen. Noch gab es keinen Abhörmechanismus, der den akustischen Schutzmantel eines Wagens zu durchdringen vermochte, welcher einen Tunnel aus Stahl und Beton passiert, begleitet vom Lärm großer, an der Außenfläche der Karosserie rotierender Bürsten und durch Dutzende von Sprühventilen entweichender Wassermengen.
    Daher wurde, obschon es unwahrscheinlich war, daß sich im Wagen eines Kuriers unentdeckte ›Wanzen‹ befanden, zeitweilig jeder Austausch von Botschaften vertraulicher Art, wenn irgend möglich, in einer Wagenwaschanlage vorgenommen. Ziemlich albern, denn die Botschaft mußte entweder, um in dem Lärm verstanden zu werden, herausgeschrien oder aufgeschrieben und überreicht werden. Nachdem ein- oder zweimal Pannen passiert waren, weil lauthals herausgeschriene Botschaften mißverstanden worden waren, wurden sie stets aufgeschrieben, und da ohnehin keine Wanze sie aufnehmen würde, schlief der Brauch, zur Sicherheit Wagenwaschanlagen zu benutzen, schließlich ganz ein. Eine der vorteilhaften Begleiterscheinungen des Experiments bestand jedoch darin, daß während der ein, zwei Jahre seiner Dauer der Wiederverkaufswert der Kurierwagen leicht anstieg.
    Dieser Kurier hatte die Botschaft bereits aufgezeichnet, bevor wir die Wagenwäscherei erreichten.
    Carlo hatte sich kurz gefaßt: Gesamte Paris-Operation ausblenden, wiederhole gesamte Operation, dann herkommen und mich baldmöglichst aufsuchen.
    Noch ehe der Wagen unter dem Gebläse der Heißlufttrockenanlage war, hatte sie den Zettel mit der Botschaft wieder an sich genommen, ein Streichholz daran gehalten und die verkohlten Reste im Aschenbecher durcheinandergerührt.
    Wir verließen die Schweiz und gelangten inmitten des frühabendlichen Pendelverkehrs nach Frankreich. Auf keiner Seite der Grenze interessierte sich irgend jemand für Pässe oder sonst etwas. Jenseits der Grenze bog der Kurier nach rechts ein und fuhr über Bourg nach Châlon. Dort nahm ich einen Zug nach Paris.
    Als Carlo mich anwies, die Pariser Operation auszublenden, hatte er gemeint, daß ich jegliche Papierschnitzel-Fährte tilgen solle; und mit dem Nachdruck auf die ›gesamte‹ Operation hatte er sich auf etwas bezogen, wovon nicht einmal die Kuriere wußten. Dies war die Tatsache, daß wir in Paris ein 2-Zimmer-Junggesellen­appartement unterhielten, so daß ich kommen und gehen konnte, ohne in Hotels Meldezettel auszufüllen. Die Wohnung war auf der Basis eines jährlich zu verlängernden Vertrags angemietet worden, so daß es keine Rolle spielte, ob ich ständig da war oder nicht. Der gérant , der die Wohnung betreute, war

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