Bitte nicht füttern: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
damals dreiundzwanzig, tat alles, um das nicht gerade glänzend laufende Geschäft und damit sein Zuhause zu retten.
Er war seinem Vater nicht böse. Schließlich hatte sein alter Herr das Lokal auch nur deshalb von seinem Vater übernommen, weil er der älteste Sohn war. Wenn es nach Frank gegangen wäre, hätte er die große weite Welt erkundet. Er wollte nicht sein Leben lang in seinem Geburtsort versauern. Doch dann traf er die wunderbare Elizabeth, und mit ihr an seiner Seite ertrug er die Sesshaftigkeit. Als sie starb, war es die Sorge um seinen Sohn, die ihn bei der Stange hielt. Und dann war Consuela mit den feurigen spanischen Augen und einem koketten Lächeln aufgekreuzt und hatte aus dem vernünftigen Witwer und Vater im Handumdrehen einen liebestollen Mittvierziger gemacht.
Rory fand das klasse. In seinen Augen war es höchste Zeit, dass sein Vater auch mal an sich dachte und das Leben genoss. Solange er denken konnte, hatte sein Vater sich immer nur um andere gekümmert und nie auch nur einen einzigen freien Tag gehabt. Die Geschäfte liefen nie besonders gut, es kam gerade genug zum Leben dabei herum. Das Cockleshell Inn wurde in erster Linie von Touristen getragen, die im Sommer das pittoreske Hafenstädtchen besuchten und im Pub die großartige Aussicht, die urige Atmosphäre, kornisches Bier und günstiges Essen genossen.
Als sein Vater mit der frisch angetrauten Spanierin in sonnigere Breiten entschwand, wurde Rory gewissermaßen ins kalte Wasser geworfen. Er hatte immer nur an der Theke gestanden, während sein Vater in der reichlich chaotischen Küche Shepherds Pies und belegte Brote gezaubert hatte. Kaum war Frank weg, heuerte Rory Monty als Barkeeper an und machte sich selbst in der Küche ans Werk. Ihm war dabei so bange wie einem Nichtschwimmer bei der Durchquerung des Ärmelkanals.
Er hatte keine Ahnung, womit er anfangen sollte, und schaltete einfach mal den Ofen ein. Dann lehnte er sich mit dem Rücken dagegen und genoss die Wärme. Als er es nicht mehr länger aushielt, nichts zu tun, atmete er einmal tief durch, marschierte auf den Industriekühlschrank zu, nahm alles heraus, was noch nicht das Verfallsdatum überschritten hatte, und fing an zu experimentieren.
Das hätte verdammt schiefgehen können.
Aber Rory hatte Glück.
Als hätte er sechs Richtige im Lotto.
Oder einen multiplen Orgasmus.
Einen Moment purer Glückseligkeit.
Wie die Begegnung mit einem Menschen, die einem klarmacht, dass alles, was man bisher für Liebe gehalten hatte, nur ein Flattern des Herzens gewesen war.
Rory Trevelyan, der bisher immer nur Eier gekocht und Bohnen auf Toast warm gemacht hatte, stand bis zum Zerplatzen nervös in dieser alten, zusammengewürfelten Küche und machte eine Entdeckung, die sein Leben verändern sollte.
Rory konnte nicht einfach nur kochen. Rory konnte göttlich kochen.
Er war ein Naturtalent.
Er zauberte mit Essen. Ganz ohne Anleitung.
Monty sagte immer, er sei wie ein mit dem absoluten Gehör geborener autodidaktischer Musiker.
Rorys Geschmacksnerven waren so fein ausgebildet wie der Geruchssinn eines Trüffelschweins. Jedes einzelne Gericht, das von jenem Tag an die Küche des Cockleshell Inn verließ, war perfekt gegart und gewürzt. Fades, zerkochtes Essen gehörte der Vergangenheit an – ab sofort schmeckte alles schlichtweg köstlich.
Rorys Kochtalent bewahrte den Pub vor der Pleite.
Seine exquisite Küche sprach sich herum, und schon bald waren die drei Räume so gut wie jeden Abend bis auf den letzten Platz besetzt.
Und dann war diese amerikanische Filmcrew aufgekreuzt, die das pittoreske alte Hafenstädtchen als einen der Drehorte für einen Blockbuster ausgesucht hatte. Ihr Cateringbus hatte eine Panne gehabt, weshalb sich alle im Cockleshell Inn zum Mittagessen eingefunden hatten.
Die Truppe trank kornischen Cider, als handele es sich dabei um Gottes Nektar, und Rory hatte alle Hände voll damit zu tun, einen Teller nach dem anderen anzurichten: sachte gebratenen Schweinebauch mit glasiertem Rotkohl, Meeresfrüchte-Lasagne mit Feldsalat und Radicchio und Hühnerbalottins mit Pastinakenchips. Darum fiel ihm auch gar nicht weiter auf, dass zu der lautstarken, die Hälfte aller Tische belagernden Truppe einige der größten Hollywoodstars gehörten. Er war einfach nur genervt von ihrer prahlerischen, selbstverliebten Attitüde. Die Komplimente zum Essen versöhnten ihn zwar kurzfristig, gingen ihm dann aber irgendwann entschieden zu weit.
Er machte drei
Weitere Kostenlose Bücher