Bitte nicht füttern: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
Meilen das Wasser im Mund zusammenlaufen musste. Rory hatte das Rezept schon zweimal recht erfolglos ausprobiert, doch in diesem dritten Anlauf war es ihm so gut gelungen, dass er vor Glück hätte heulen mögen.
Das Telefon klingelte, und Rory verließ kurz die Küche, um eine Tischreservierung entgegenzunehmen. Wieder zurück musste er mit ansehen, wie Monty in seiner dreckigen Jeans und seinen verschlammten Gummistiefeln auf der blitzeblanken Aluminiumarbeitsfläche saß und das kulinarische Meisterwerk mit einem großen Holzlöffel in sich hineinschaufelte.
»Raus aus meiner Küche! Raus hier, bevor ich dich umlege, am Spieß brate und als Armleuchter des Tages serviere!«, bellte er.
»Ich wünsche dir auch einen guten Morgen, mein begnadeter Freund«, strahlte Monty ihn an und ließ sich überhaupt nicht aus der Ruhe bringen. »Grandios, kann ich nur sagen.« Mit dem Holzlöffel zeigte er auf das, was vom Soufflé übrig war.
Rory blickte auf die kümmerlichen Überreste. Beobachtete, wie Monty den Holzlöffel noch einmal in die Schüssel und anschließend in seinen Mund schob, wobei er selig die Augen schloss.
Monty machte die Augen wieder auf und grinste immer breiter.
»Elf von zehn Punkten, würde ich sagen. Das beste Käseomelett, das ich je gegessen habe«, schmatzte er dann.
»Du kannst von Glück reden, dass wir uns schon so lange kennen, mein Lieber. Jeder andere hätte jetzt Bekanntschaft mit meinem schärfsten Küchenmesser gemacht.«
»Und du kannst von Glück reden, dass ich dein bester Freund bin ... Wer sonst sollte dich ab und zu daran erinnern, dass selbst die genialsten, kreativsten Schlemmereien letztlich nur dazu da sind, undankbare Gierschlünde wie mich zu füttern?«
Er schickte den Jagdhundblick seiner blauen Augen auf die Suche nach einem geeigneten Dessert und ließ entzückt die Augenbrauen hochschnellen, als er ein noch warm dampfendes Blech mit Schokoladen-Feigen-Fondant entdeckte.
»Untersteh dich«, warnte Rory ihn. »Das ist für heute Abend.«
Da klingelte das Telefon schon wieder.
Rory zögerte, ließ den Blick wandern: vom Dessert zu Monty mit dem Holzlöffel, zum Telefon im Empfangsbereich und wieder zum Dessert. Zum Schluss sah er Monty scharf an.
Monty legte den Löffel hin und zuckte ergeben die Achseln.
»Nun geh schon dran«, forderte er seinen Freund auf, »ich verspreche dir, dass ich dein Dessert nicht anrühren werde ...«
Rory zögerte immer noch, stürzte dann aber aus der Küche und ans Telefon, bevor der Anrufbeantworter ansprang.
Monty kicherte und nahm den Löffel wieder in die Hand.
»... solange du in der Küche bist.«
»Cockleshell Inn«, japste Rory ins Telefon. »Was kann ich für Sie tun?«
»Hallo, Rory, altes Haus! Na, alles fit im Schritt?«
Rory brauchte einige Sekunden, bis er die Stimme am anderen Ende erkannt und einem Gesicht zugeordnet hatte. Als er so weit war, bereute er es, dieses Telefonat nicht dem Anrufbeantworter überlassen zu haben.
»Freddie McCormack ...«
»Höchstpersönlich.«
Rory unterdrückte einen Seufzer.
Eigentlich hatte Rory gar nichts gegen Freddie. Nur die Anlässe für seine Anrufe waren meist nicht nach seinem Geschmack.
»Was kann ich für dich tun, Freddie?«, fragte Rory vorsichtig.
Freddie lachte.
»Du meinst, ich will etwas von dir? Also wirklich, Trevelyan, du alter Zyniker! Vielleicht rufe ich ja einfach nur mal so an, um zu hören, wie’s dir geht!«
»Okay. Mir geht’s gut. Und jetzt?«
Betretenes Schweigen.
»Na, prima! Freut mich!«, beeilte sich McCormack zu sagen. »Wunderbar! Allerdings muss ich gestehen, dass ich doch auch noch ein Anliegen habe ...«
Seit mehr als sechs Jahren war Rory Trevelyan nun schon Mitinhaber und Chefkoch des Cockleshell Inn, einem typisch kornischen Pub mit niedriger Balkendecke, Steinfußboden, offenen Kaminen und einer Terrasse mit Blick über die Mündung des Quinn. Seit Generationen befand sich der Pub in der Hand seiner Familie, stets war er an den ältesten Sohn weitergegeben worden. Rory war mit achtzehn, gleich nach der Schule, in das Geschäft des Vaters eingestiegen.
Rorys Mutter Elizabeth war an Krebs gestorben, als ihr einziger Sohn zehn Jahre alt war. Sein Vater Frank hatte den Verlust seiner lebhaften Frau nie richtig verwunden und sich dreizehn Jahre später in eine Beziehung mit einer deutlich jüngeren spanischen Touristin gestürzt, diese nach nur drei Wochen geheiratet und sich dann mit ihr auf die Balearen verzogen. Rory,
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