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Bitter im Abgang

Bitter im Abgang

Titel: Bitter im Abgang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aldo Cazzullo
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wartete darauf, dass die Nacht zu Ende ging. Wer konnte, hielt sich raus oder spielte ein doppeltes Spiel. Aber keiner oder fast keiner wollte den Partisanen an den Kragen. Moresco schon gar nicht. Höchstens aus Neid …»
    «Aus Neid, sicher. Haben Sie das hier schon mal gesehen?»
    Der Wirt sah sich das Abzeichen an, das der Inspektor plötzlich in der Hand hatte.
    «Warum sollte ich das schon mal gesehen haben? Ich weiß nicht mal, was das ist.»
    «Dann sag ich es Ihnen. Das ist ein deutsches Offiziersabzeichen.»
    «Hatte Moresco das?»
    «Nein. Aber meines Erachtens hat der Mörder es bei ihm zurückgelassen. Sagt Ihnen das irgendwas?»
    «Ich wüsste nicht, Herr Inspektor. Ich weiß nur, was in Alba jeder weiß, der wie mein Vater im April 1945 in Alba war. Es ist ein offenes Geheimnis, sozusagen.»
    «Ich war nicht dabei. Helfen Sie mir?»
    Da dämmerte dem Wirt, dass er nicht so schnell davonkommen würde, wie er gehofft hatte. Er schnaubte widerwillig wie ein alter Gaul, eine Mischung aus Protest und Resignation. Dann nahm er einen Stuhl, holte eine Flasche und zwei Gläser, schloss die Tür zum Restaurant ab und schaffte esgerade noch, bevor die Schweizer kamen, ein Schild auszuhängen:
    Wegen Trauerfall geschlossen.

20

Alba,
Donnerstag, 19. April 1945, 6 Uhr
    Von der Madonna Moretta bis zu dem Gehöft, wo das Kommando der Garibaldini untergebracht war, brauchte man, selbst wenn man an das stramme Marschieren des Krieges in den Bergen gewöhnt war, mindestens drei Stunden. Die ganze Zeit sprachen Alberto und Moresco kein Wort, während sie sich mit der Anzahlung auf den Schatz abschleppten. Später würden sie noch einmal zurückkehren, um den Rest zu holen. Beide waren so wütend aufeinander, dass sie ausschritten wie Furien. Ab und zu verschärfte Alberto das Tempo und drehte sich herausfordernd zu seinem Gefährten um: «Was ist los mit dir? Du trödelst herum wie der Tod bei den Reichen.» Für die Langaroli misst nämlich der Tod mit zweierlei Maß; zu den Herrschaften kommt er bedächtig und respektvoll, zu den armen Schluckern hingegen hastig und rücksichtslos.
    Der erste Schuss zerfetzte den Ast über ihnen. Instinktivwarfen sie sich zu Boden. Der Waldweg war voller Schlamm. Fluchend versuchte Alberto vom Weg zu robben. Moresco schoss zweimal in die Richtung, aus der das Feuer gekommen war.
    Dann sahen die beiden sich fragend an. Was ging hier vor? Schon seit Tagen hatten sich die Deutschen nicht mehr blicken lassen. Inzwischen wollten auch sie nur noch ihre Haut retten. Von den Faschisten ganz zu schweigen, die schienen wie vom Erdboden verschluckt. Blieben noch eine Handvoll Heckenschützen, die wild entschlossen waren, bis zum bitteren Ende ihr Unwesen zu treiben. Aber das hier waren keine Leute, die wahllos auf Passanten schossen. Die waren ihretwegen hier. Und für Heckenschützen trafen sie einfach zu schlecht. Oder wollten sie vielleicht gar nicht treffen?
    «Steh auf, Moresco. Wenn ich gewollt hätte, wärst du jetzt tot. Ich hätte dich abknallen können wie eine Taube.»
    «Wer bist du?», schrie Moresco, um sich bestätigen zu lassen, was er schon wusste.
    «Wir sind’s. Oder hast du etwa geglaubt, du könntest alles für dich behalten?»
    Die Brüder Vergnano waren der Schandfleck der Langhe. Die Freiwilligen der Schwarzen Brigaden kamen fast ausschließlich aus dem Süden, aus der Toskana, der Emilia, auf jeden Fall von außerhalb. Diebeiden aber waren aus Alba, kämpften trotzdem auf deutscher Seite und waren dabei, als die Stadt nach den dreiundzwanzig Tagen der Partisanenrepublik zurückerobert wurde und die neuen Besatzer selbst die Glocken läuten mussten. Jetzt versuchten sie zu überleben und wenn möglich einen Vorteil aus der Niederlage zu ziehen.
    «Was wollt ihr?»
    «Spar dir deinen Atem. Das weißt du ganz genau.»
    «Was denn, was weiß ich?»
    «Tu nicht so. Oder glaubt ihr etwa, dass euch keiner gesehen hat, als ihr diese Nacht in der Kirche wart?»
    «Ihr Saubande, Faschistenschweine! Ist euch der Preis für eure Schandtaten noch immer nicht hoch genug?»
    «Wir haben unseren Preis schon bezahlt. Die ganze Rechnung, für alle. Für ganz Italien, das jetzt so tut, als wäre es nie faschistisch gewesen, und irgendwann selbst daran glauben wird. Auch wir haben unsere Toten gehabt. Dieses Gold gehört dem Vaterland. Und es ist auch unser Vaterland.»
    «Wir haben nichts für euch.»
    «Auch nicht für eure Genossen? Glaubst du, die sind begeistert, wenn sie hören,

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