Bitter Love
presste mein Gesicht an ihre Schulter und krallte mich an ihren Armen fest, und dann zerfloss ich einfach, bis nichts mehr von mir übrig war.
Lange blieben wir so, und als mir schon fast schwindlig wurde vor lauter Erschöpfung, begann Georgia zu reden.
»Ich habe es geahnt«, sagte sie. »Er hat dich geschlagen, oder?«
Wieder entstand eine lange Pause. Wahrscheinlich wartete sie darauf, dass ich irgendetwas antwortete, aber ich konnte nicht. Ich konnte nichts tun, außer in diesem düsteren Trümmerhaufen zu sitzen und zu warten.
»Dieser kleine Dreckskerl«, brummelte sie. »Wie schlimm ist es gewesen, mein Schatz?«
Ich drehte mein Gesicht von ihr weg und spürte nun kalte Luft an der Nase, machte aber die Augen immer noch nicht auf.
»In der Hölle soll er schmoren«, sagte sie. »Ich wusste, dass ich etwas hätte tun sollen. Alex. Liebling. Red mit mir, ja? Du kannst mir vertrauen. Ich helf dir. Ich tue alles für dich. Aber du musst mir erzählen, was los ist.«
Sie senkte den Kopf und sah mich an – ich spürte die Bewegung –, doch ich schaffte es immer noch nicht, die Augen zu öffnen.
Schaffte es nicht, mir einzugestehen, dass sie recht hatte. Und zuzugeben, was mir inzwischen selbst vollkommen klar war: Ich hätte an diesem Abend mit ihr auf der Terrasse sitzen bleiben sollen. Hätte mich von ihr vor Cole warnen lassen sollen.
»Du wirst mich für blöd halten«, sagte ich.
Als sie sich dieses Mal bewegte, rückte sie mit ihrem ganzen Körper von mir weg und hielt mich so vor sich, dass ich mich hinsetzen und die Augen öffnen musste. Ihr Gesicht wirkte gequält und aschfahl, als wäre sie gerade von den Toten auferstanden.
Sie schüttelte den Kopf. »Er will, dass du das denkst. Aber ich kenne dich, Alex. Du bist nicht blöd. Du bist nur verstrickt in etwas, aus dem du alleine nicht rauskommst. Es ist einfach zu groß. Lass mich dir helfen.«
Sie streckte sich, zog eine Serviette aus dem Spender über uns, reichte sie mir und nahm dann noch eine, mit der sie sich selbst die Augen tupfte. Ich ließ die Serviette, die sie mir gegeben hatte, auf dem Schoß liegen und blinzelte nur.
»Ich weiß nicht, was ich machen soll«, sagte ich und dabei musste ich wieder weinen, doch diesmal leiser und weniger verzweifelt.
»Geh weg von ihm, jetzt, wo du’s noch kannst«, sagte sie. »Sag ihm, es ist vorbei.«
»Aber wenn ich nicht kann?«
Sie beugte sich vor und berührte meinen Arm. »Du liebst ihn.«
Ich nickte, wischte mir mit der Serviette über die Nase und faltete sie winzig klein zusammen.
»Ach, Liebling«, sagte sie und zog mich wieder an sich. »Ich weiß«, flüsterte sie. »Ich weiß.«
Wir redeten noch eine ganze Stunde lang. Georgia machte währenddessen heißen Kakao, genau wie beim letzten Mal, und holte uns Kekse. Nur saßen wir dieses Mal nicht draußen, sondern blieben auf dem Boden hocken, den Rücken gegen das Vorratsfach gelehnt.
Ich erzählte ihr alles, was passiert war. Ich erzählte ihr vom Überlaufbecken und von seinen Versprechungen. Ich erzählte ihr, wie er mich geschlagen hatte, und von meinem Zahn und davon, wie er mich so furchtbar fest in die Arme gekniffen hatte. Ich erzählte ihr, warum Bethany und Zack nicht mehr vorbeikamen, und dass ich das Gefühl hatte, meine beiden besten Freunde verloren zu haben. Und ich erzählte ihr auch, wie nett er hinterher jedes Mal war – wie er mir Blumen schenkte und um Verzeihung bat und mir sagte, dass er mich liebte, und wie ein Teil von mir ihm dann glaubte und Mitleid mit ihm hatte. Wie ich ihn mitten in all dem Schmerz trotzdem liebte.
Und dann erzählte ich ihr von den Fotos. Von Colorado und dass ich dorthin wollte, um meiner Mutter nachzuspüren, was ich einfach nicht besser erklären konnte, und sie sagte, sie würde das verstehen. Und ich erzählte ihr auch, dass sie für mich wie eine Mutter war. Da weinte sie ein bisschen, lachte aber auch und sagte schließlich: »Na gut, junge Dame, dann verbiete ich dir, diesen Jungen zu sehen, oder es setzt Hausarrest.«
Und bis wir unsere Becher gespült, die Kekskrümelbeseitigt, die Lichter gelöscht und die Tür abgesperrt hatten – jetzt war alles makellos sauber und bereit für die Morgenschicht –, hatte ich eine Entscheidung getroffen.
Es war Zeit, Cole zu verabschieden.
Kapitel 40
Georgia musste noch mal kurz ins Büro, um eine Nachricht an ihren Kollegen von der Morgenschicht zu schreiben – es ging um irgendeinen Bericht für Dave, der
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