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Bittere Mandeln

Bittere Mandeln

Titel: Bittere Mandeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata
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schmerzte zu sehr. Es war mir völlig egal, daß es jeglicher japanischen Etikette widersprach, sich ungewaschen ins Badewasser zu begeben. Schließlich war es meine eigene Wanne, und solange ich keine Seife verwendete, würde der Heizmechanismus keinen Schaden nehmen.
    »Tja, du brauchst mich wirklich. Aber mach dir keine Sorgen. Ich kümmere mich um alles.« Tante Norie legte mir einen warmen Waschlappen auf die Stirn und verließ das Bad.
    Ich sah mich in dem winzigen pfirsichfarbenen Raum um. Wie alle japanischen Bäder funktionierte er wie eine riesige Duschkabine mit einer kleinen, aber sehr tiefen Wanne auf der einen Seite. Tante Norie hatte ein wenig Badesalz ins Wasser gegeben, das jetzt gelb leuchtete und angenehm duftete.
    Ich lehnte mich zurück. Dabei wurden meine Haare naß und breiteten sich in dem surreal gelben Meer wie Seetang um meinen Kopf herum aus. Ich konnte es immer noch nicht fassen, daß ich mich bei der Ikebana-Ausstellung vor allen Anwesenden übergeben hatte. Vor meinem Besuch im Mitsutan-Kaufhaus war es mir doch noch gut gegangen. Daß ich mir durch Essensreste eine Lebensmittelvergiftung zugezogen hatte, hielt ich für ausgeschlossen.
    »Rei -chan, ich komme jetzt wieder rein«, sagte Tante Norie und streckte gleich darauf den Kopf durch den Türspalt. »Tsutomu ist weg, also kannst du dich draußen anziehen. Aber beeile dich, neh? Der Lieutenant ist schon auf dem Weg hierher; da wäre es nicht gut, wenn du noch nicht angezogen bist.«
    Nicht einmal im Bad hatte ich meine Ruhe. Als ich mich aufrichtete, merkte ich allerdings, daß ich Tante Nories Hilfe brauchte. Ich ließ mich von ihr in eine Strumpfhose, einen Wollrock und eine Jacke packen. Eigentlich waren die Sachen ein bißchen zu warm für die Jahreszeit, aber Tante Norie meinte, für ein Polizeiverhör seien sie angemessen. Auch meinen Futon hatte sie zusammengerollt und im Schrank verstaut.
    »Setz dich auf den Stuhl und warte da auf den Lieutenant. Mir ist gar nicht wohl dabei, daß ich dich aus dem Bett geholt habe, aber es schickt sich nicht für eine Dame, einen Herrn im Bett zu empfangen.«
    »Ich dachte, du hast Tom gesagt, ich bin noch zu schwach, um mit Polizisten zu reden«, protestierte ich und sehnte mich dabei nach den weichen Decken und Kissen.
    »Tsutomu ist im Moment das männliche Oberhaupt unserer Familie, Rei. Was er sagt, wird gemacht.« Norie seufzte. »Es wird noch eine Weile dauern, bis Lieutenant Hata kommt. Wenn du dich gut genug fühlst, könntest du schon mal anfangen, dich schriftlich für die schönen Blumengeschenke zu bedanken.«
    Meine Tante hielt mir einen Stapel Briefpapier hin, zartgelbe Bogen mit Blumenmuster. Ganz oben stand das Wort FLORESZENZ und darunter ein Keats-Zitat: »Ein schöner Gegenstand bringt ewig Freude; seine Schönheit wächst; er wird niemals völlig vergehen.« Nur in Japan, einem Land, in dem es Ausdrücke wie salaryman gab, konnte ein Wort wie »Floreszenz« auf dem Briefpapier einer Dame auftauchen. Mir wäre so etwas beim besten Willen nicht eingefallen. Das Keats-Zitat ergab keinen Sinn für mich. Daß etwas Schönes ewig Freude bringt, erschien mir wie eine maßlose Übertreibung. Um zu dem Schluß zu kommen, genügte ein Blick auf die Blumen in meiner Wohnung, die zweifelsohne in ein paar Tagen alle verblüht sein würden.
    Die meisten Teilnehmerinnen der Ikebana-Ausstellung hatten mir ein Bouquet geschickt. Lila Braithwaite schrieb ich auf englisch und Mrs. Koda, Mari Kumamori und Natsumi Kayama auf japanisch. Bei letzteren half mir Tante Norie. Es stellte sich heraus, daß der Kirschblütenstrauß, den ich beim Aufwachen als erstes gesehen hatte, tatsächlich künstlich war. Er stammte von Richard Randall, der entweder ironisch sein wollte oder nicht das nötige Geld für frische Blumen hatte.
    Tante Norie frankierte die fertigen Briefe und steckte sie in ihre Handtasche, um sie später zum Postamt zu bringen. Lieutenant Hata würde jeden Moment kommen. Meine Tante huschte nervös in der Küche hin und her und schaltete schließlich den kleinen Wasserkocher auf meiner Arbeitsfläche ein, um das Teewasser vorzubereiten.
    »Du weißt, wie leid mir das alles tut, Rei«, sagte sie.
    »Du meinst, weil du nicht da warst, als ich mich übergeben mußte? Das hättest du doch auch nicht verhindern können, Obasan.«
    »Nein, ich bedaure, daß ich dich zu dem Ikebana-Kurs gedrängt habe, obwohl du eigentlich nicht wolltest. Ich hatte wirklich nur die besten Absichten.« Sie

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