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Bittere Mandeln

Bittere Mandeln

Titel: Bittere Mandeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata
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Mari hinüber, die auf dem Boden kniete und die Scherben ihrer Keramik berührte. Sie war bei ihrem Arrangement geblieben, obwohl der Schulleiter und seine Schäfchen sich inzwischen dem Erfrischungsbereich näherten und sich mit dem Arrangement von Lila Braithwaite beschäftigten.
    »Mir hat Mari Kumamoris Arrangement gefallen, bevor der Schulleiter das Gefäß zerbrochen hat«, erklärte ich Mrs. Koda.
    »Sch«, sagte sie mit einem Blick in Richtung Eriko. »Sie wollen doch nicht, daß die Leute sagen, Sie seien undiszipliniert.«
    Ich kam zu dem Schluß, daß Mrs. Koda doch nicht so nett war, wie meine Tante mir weiszumachen versucht hatte. Eigentlich hatte ich gar keine Lust mehr, ihr zuzuhören. Ich biß ein Stück von meiner Madeleine ab. Sobald ich das Gebäckstück gegessen hätte, könnte ich mich von Mrs. Koda verabschieden, ohne unhöflich zu wirken.
    »Es war interessant, daß Ihr Bambus-Iris-Arrangement den iemoto an den Streich erinnert hat, den seine Kinder ihm vor so langer Zeit gespielt haben«, sagte Mrs. Koda. »Mit dem guten Gedächtnis wird er sicher noch zwanzig Jahre in der Lage sein, die Schule zu leiten!«
    »Ach? Dann wird Takeo sie also Ihrer Meinung nach erst mit« – ich rechnete schnell nach – »fast fünfzig übernehmen können?«
    »Ja. Normalerweise erfolgt die Übernahme nach dem Tod des Meisters. So war es jedenfalls bei Masanobu- sensei. Sein Vater praktizierte bis siebzig, dann hat er übernommen. Das ist jetzt ungefähr zwanzig Jahre her.«
    »Also ein paar Jahre nach dem Tod seiner Frau«, sagte ich und versuchte, gegen meine Übelkeit anzukämpfen. Vielleicht bekam ich eine Grippe. Dann wäre es vernünftig, mir für meine Fahrt mit der U-Bahn einen kleinen weißen Mundschutz zu kaufen. Wahrscheinlich konnte ich das sogar gleich im Mitsutan-Kaufhaus erledigen. Oder möglicherweise hatte auch Eriko einen in ihrer Handtasche. Schon der Gedanke ans Einkaufen ermüdete mich.
    »Ja, nach ihrem unglücklichen Sturz«, bestätigte Mrs. Koda.
    »Takeo hat mir davon erzählt«, sagte ich und hielt die Hand vor den Mund, als ich spürte, daß ich würgen mußte. Ja, irgend etwas mußte ich aufgeschnappt haben.
    »Sie müssen Takeo-san oder Takeo -sensei sagen«, korrigierte mich Mrs. Koda. »Ich weiß, er ist in Ihrem Alter, aber Sie müssen trotzdem Respekt zeigen.«
    Die Übelkeit übermannte mich. Ich rappelte mich auf, um zur Damentoilette hinüberzurennen, doch Schulleiter Kayama und die Schülerinnen standen zwischen mir und dem Galerieausgang.
    »Rei-san? Ist etwas?« fragte Mrs. Koda.
    »Chotto shitsurei shimasu! « Ich stieß diese traditionellen Worte des Abschieds hastig hervor. Sie bedeuteten so viel wie »Ich muß jetzt leider ein bißchen unhöflich sein«, und diesmal hatte ich das Gefühl, daß sie tatsächlich der Situation entsprachen.
    Mir war zu schwindelig, als daß ich hätte geradeaus gehen können. Ich stolperte über Mrs. Kodas Stock, stieß gegen den Tisch und glitt zu Boden. Ich hörte gerade noch, wie die Teetasse herunterfiel und zerbrach, bevor ich mich übergeben mußte. Ein bizarres Bild tauchte vor meinem geistigen Auge auf: Plötzlich sah ich mich selbst als grotesk verzerrte Gießkanne. Noch nie zuvor war mir etwas so peinlich gewesen. Dann verlor ich das Bewußtsein.

9
    Als ich die Augen aufschlug, fiel mein Blick auf Kirschblüten, die so groß und leuchtend waren, daß sie unecht wirkten. Ich blinzelte und bewegte den Kopf ein wenig. Noch mehr Blumen. Narzissen, Azaleen, Lilien. Lag ich mitten in einem riesigen Blumen-Arrangement? Hinter den Blumen befand sich eine Wand mit Holzschnitten, die ich kannte. Ich war zu Hause. Allerdings hatte ich einen schrecklich rauhen Hals und Gliederschmerzen.
    »Rei -chan! Endlich bist du wach!« sagte Tante Norie und strich mir mit der Hand über die Stirn. »Tsutomu, komm und sieh sie dir an.«
    Ich drehte meinen Kopf so weit, bis ich das Gesicht meines Cousins Tom sehen konnte. Als er mir mit einer Taschenlampe in die Augen leuchtete, hob ich schützend den Arm.
    »Das ist ja widerlich«, murmelte ich.
    Mein Cousin lächelte. »Ihr Mund ist schon wieder ganz fit. Offenbar ist ihr Gehirn nicht geschädigt.«
    »Ich wollte, daß du zu Hause aufwachst, in einer schönen Umgebung«, sagte Tante Norie.
    »Die Blumen kann ich doch gar nicht alle arrangieren. Warum hast du mir keine Topfpflanzen gebracht? Die halten ewig«, sagte ich. Ich fühlte mich seltsam schwach.
    »Topfpflanzen am Krankenbett bringen

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