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Bittere Mandeln

Bittere Mandeln

Titel: Bittere Mandeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata
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Meinung, daß sie es sich nicht leisten konnten, ihren Namen zu verlieren.«
    »Und wie war das Verhältnis zu meiner Großmutter nach eurer Heirat?«
    »Meine Familie hat sich Sorgen gemacht, daß Mrs. Shimura mich schlecht behandeln könnte, also hat sie uns in Yokohama ein eigenes Haus gebaut. Mrs. Shimura war natürlich zu stolz, um uns dort zu besuchen. Das hat sie erst nach der Geburt von Tom getan. Ein Enkel, der vielleicht an der Keio-Universität promovieren würde! Das war dann doch zu verlockend.«
    »Und was hat sie von Mädchen gehalten? Ich habe meine Großmutter kennengelernt, als ich vier war. Ob sie wohl je auf die Idee gekommen wäre, daß ich einmal ganz hierher ziehen würde?« sagte ich. Im Zusammenhang mit diesem ersten Besuch erinnerte ich mich vor allem noch daran, wie merkwürdig ich es fand, zusammen mit meinen Eltern auf einem Futon unter einem Flügel zu schlafen, denn in der Wohnung meiner Großmutter gab es kein Gästezimmer.
    »Anfangs war es ziemlich schwierig. Zum erstenmal warst du mit einem Jahr in Japan. Deine Eltern haben versucht, deine Großmutter zu besuchen, aber sie hat sich geweigert, sie zu sehen. Sie hat Müdigkeit vorgeschützt. Deine Eltern waren natürlich am Boden zerstört. Sie haben in dem Jahr und auch in den beiden folgenden bei uns gewohnt.«
    »Warum war Großmutter denn so ablehnend?« Ich hatte das Gefühl, als habe mir jemand eine Ohrfeige gegeben.
    »Dein Vater hat eine Ausländerin geheiratet und wurde aus dem Familienbuch gestrichen. Sie wollte seine Kinder nicht sehen. Tut mir leid, Rei -chan. Ich hatte nicht die Absicht, dich zu verletzen. Aber das ist nun mal die Wahrheit über deine Großmutter.«
    Ich wandte mich von dem besorgten Blick meiner Tante ab und versuchte, wieder Fassung zu gewinnen. Was für ein Schock! Ich war nie richtig warm geworden mit meiner Großmutter, hatte aber gedacht, das liege daran, daß sie so alt und förmlich war, ganz anders als meine geliebte Tante Norie, die mich immer in den Sommerkindergarten und als Gastschülerin in die Grundschule geschickt hatte, damit ich das Leben der japanischen Kinder kennenlernte. Ich fragte: »Und wieso durften meine Eltern dann irgendwann doch in die Wohnung meiner Großmutter?«
    »Ich habe deiner Großmutter ein Foto von dir im Kimono geschickt, da warst du drei und hast an einem Kinderfest am Meiji-Schrein teilgenommen. Ich habe dir einen Kimono angezogen, der ganz ähnlich war wie der, den sie zu ihrer eigenen Kinderfeier getragen hatte. Du hast genauso ausgesehen wie sie in dem Alter. Das hat sie ein bißchen sanfter werden lassen, und sie hat deine Eltern bei ihrem nächsten Aufenthalt in Japan zu sich eingeladen.«
    »Sie hat nur etwas auf Äußerlichkeiten gegeben, darauf, wie ich aussah«, sagte ich.
    »Sie war eine sehr starke Frau«, sagte Norie. »Aber versuch die Geschichte einmal aus ihrer Perspektive zu betrachten. Nach dem Krieg ist für sie und ihren Mann eine Welt zusammengebrochen. Sie hatten nur noch ihren Namen, und keiner ihrer Söhne hat eine Frau geheiratet, die diesem Namen Ehre gemacht hat.«
    »Und jetzt bist du die letzte Trägerin dieses Namens.« Das Gespräch, das eigentlich als Ablenkung gedacht gewesen war, hatte bei mir zu einem Gefühl der Verbitterung geführt. Natürlich hätte ich nicht wütend auf meine Großmutter sein sollen, die ein paar Jahre zuvor an einem Schlaganfall gestorben war, aber nachdem ich diese Geschichten gehört hatte, war ich es.

10
    Es klingelte an der Tür.
    »Das ist wahrscheinlich Lieutenant Hata«, sagte Norie. »Setz dich ordentlich hin, Rei. Ja, zieh den Rock über die Knie und stell die Füße auf den Boden.«
    Ich tat ihr den Gefallen. Da kam auch schon Lieutenant Hata herein und murmelte die traditionellen Worte der Entschuldigung dafür, die Anwesenden zu stören. Er sah sich kurz in dem Raum um und lächelte dann meine Tante an.
    »Ich sehe, daß Sie Hausputz gemacht haben.«
    »Ach, ich habe nur ein wenig Staub gewischt. Meine Nichte hat kein großes Interesse am Haushalt. Darf ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten?«
    »Machen Sie sich bitte keine Umstände«, sagte Lieutenant Hata.
    »Er ist schon fertig. Trinken Sie doch eine Tasse.« Tante Norie füllte vorsichtig drei Tassen mit Leberblümchentee und trug sie zu dem Beistelltischchen.
    »Sie haben ziemlich lange geschlafen. Wahrscheinlich wissen Sie nicht, daß es seit gestern abend heftig regnet«, sagte Hata und strich sich die nassen Haare aus der Stirn.
    »Der

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