Bittere Pille
heute leider frei, aber am
Montag können wir ihn mit Fragen löchern«,
erwiderte Kalla lächelnd. »Er kommt nicht aus Wuppertal,
wohnt in Remscheid, im Talsperrenweg.«
Heike sah ihm
förmlich an, dass er an diesem Detektivspiel Spaß
gewann.
»Erika, die
Kollegin in der Zentrale, sagte aber, dass die Kripo wohl heute
schon die gleiche Frage gestellt hat.« Am Döppersberg
bog er rechts ab. Der Überbau der City-Arkaden
überspannte die Straße, dann leuchtete rechterhand die
neu gestaltete Fassade des Rex-Theaters zu ihnen
herüber.
»Naja, die
Kripoleute sind auch nicht blöd, die können eins und eins
auch zusammenzählen und sich denken, dass das Opfer irgendwie
zum See gekommen sein muss«, dachte Heike laut.
Sie verließen
die Gathe. An der Karlstraße tat sich der Diesel des Taxis
ein wenig schwer. Der Motor brummelte dumpf, und Kalla schaltete in
den dritten Gang zurück.
»Besucht ihn
einfach morgen, ich kann euch ja bei dein Kollegen anmelden, dann
weiß er schon mal Bescheid.«
»Das
würdest du tun?«
»Logisch.
Für Kollegen tu ich doch fast alles.« Kalla zwinkerte
der Reporterin verschwörerisch zu, setzte auf halber Höhe
des Berges den Blinker und bog nach links in die Marienstraße
ab. Hier lag Stefans Wohnung. Geschickt manövrierte Kalla den
schweren Wagen durch die engen, teils zugeparkten Straßen des
Ölbergviertels. Heike beobachtete den routinierten Fahrer und
fragte sich, was wohl geschehen würde, wenn in einem der alten
Patrizierhäuser Feuer ausbrach. Sicherlich hätte die
Feuerwehr Schwierigkeiten, mit den schweren Fahrzeugen zum
Brandherd zu kommen. Sie hoffte, dass es in Stefans Haus niemals
brennen würde, und verwarf den Gedanken schnell
wieder.
Sie atmete tief durch,
als ein lauer Nachtwind durch das offene Schiebedach ins Innere des
Taxis drang. Sie mochte die Stadt der Gegensätze. Es gab viele
schäbige Ecken im Ölbergviertel, Häuser und
Straßenzeilen mit einem fast morbiden Charme, der bei
Regenwetter und besonders im Herbst depressiv machen konnte. Jetzt
aber, an einem späten Frühsommerabend, strahlte das
ehemalige Arbeiterviertel ein fast mediterranes Flair aus.
Vielleicht auch deshalb, weil sich in den letzten Jahren viele
Studenten und Künstler hier niedergelassen hatten und dem
Viertel ein ihm eigenes Flair
verliehen.
»So, da
wären wir.« Kalla stoppte sein Taxi mitten auf der
Straße. Da gerade niemand hinter ihnen war, hielt er den
Verkehr auch nicht unnötig auf, und eine Möglichkeit,
rechts an den Straßenrand zu fahren, gab es weit und breit
nicht. Er schaltete die Innenbeleuchtung ein und überreichte
Heike seine Visitenkarte. »Hier«, sagte er. »Wir
bleiben auf jeden Fall in Verbindung.«
»Gern«,
nickte Heike und drehte das Kärtchen in den Händen. Als
sie ihn nach dem Fahrpreis fragte, winkte er lächelnd ab.
»Das geht aufs Haus. So unter Kollegen,
sozusagen.«
»Dank
dir.« Heike stieß die Beifahrertür auf.
»Dann hören wir voneinander, hm?«
»Gern.«
Kalla reichte ihr die Hand. Eine Pranke groß wie ein
Unterteller. Ȇbrigens, ab morgen habe ich ein paar Tage
frei. Wenn du ‘ne Taxe brauchst, ruf an, dann gehen wir
gemeinsam auf Verbrecherjagd.«
7
Wittener
Straße, gegen 22:50 Uhr
Es war eine billige
Absteige im Wuppertaler Ortsteil Nächstebreck, in der sie
untergekommen war. Der Preis war okay, die Einrichtung einfach,
aber sauber. Eines dieser gesichtslosen 08/15-Hotels einer
französischen Kette, die sich auch in Deutschland immer mehr
ausbreitete. Unter der Woche stiegen hier Geschäftsreisende
mit kleinem Budget, Monteure und teilweise auch LKW-Fahrer ab. Am
Wochenende herrschte in diesen Hotels kaum Betrieb, und so war es
auch heute.
Es roch nach
Putzmitteln im Zimmer, der Fernseher war auf nur fünf
deutschsprachige Sender programmiert, und der Heini am Empfang
hatte sie mit lüsternen Blicken wie ein Stück Fleisch
betrachtet, als sie sich angemeldet hatte. Es war ihr egal, denn
sie war auf der
richtigen Fährte. Und hier war sichergestellt, dass sie anonym
blieb. Sie wollte kein unnötiges Risiko eingehen. Die
französische Hotelkette war genau das, was sie gesucht hatte.
Unerkannt bleiben.
Der Fernseher lief,
doch sie interessierte sich nicht im Geringsten für das
Programm. Ruhelos tigerte sie durch die Plastikkammer. Zur
Zimmertür, eine Drehung. Rechts lag das dunkle Bad, aus dem es
nach Chemie wie in einem Campingklo stank. Geradeaus lag der Wohn-
und Schlafbereich. Hier brannte nur
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