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Bittere Pille

Bittere Pille

Titel: Bittere Pille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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zu ermahnen.
Rücksichtnahme sei das oberste Gebot, hatten sie ihm lange
gepredigt. Und er hatte stets darauf geantwortet, dass dies zwar
ein nettes Angebot sei, aber auf ihn brauche niemand Rücksicht
zu nehmen. Nachdem er die Zigarette angezündet hatte, rauchte
er nachdenklich und beobachtete seinen Assistenten. Das sollte also
die neue Generation der Kriminalpolizei sein, dachte er
verächtlich. Sie verschanzten sich hinter ihren Computern und
recherchierten dort, anstatt rauszugehen und Leute zu befragen. Das
konnte ja heiter werden, dachte Ulbricht, paffte den Qualm in
Kringeln an die vergilbte Bürodecke und schüttelte stumm
den
Kopf.             
    »Haben Sie mal
das System befragt, ob der Mann irgendwo vermisst
wird?«
    »Natürlich,
Chef", brummte Heinrichs und lugte um seinen Monitor herum.
»Er scheint nirgendwo zu fehlen. Ich habe alle bundesweiten
Vermisstenmeldungen gecheckt - vergeblich. INPOL-neu gibt nichts
her, fürchte ich. Vielleicht suchen Sie mal, Sie haben
sicherlich mehr Zugriffsrechte als ich.« Bei INPOL-neu
handelte es sich um ein bundesweites Such- und Fahndungssystem;
Recherchen waren damit von jedem Dienststellen-Computer aus
möglich. Allerdings hatte nicht jeder Mitarbeiter die gleichen
Zugangsrechte. Diensthöhere Beamte konnten tiefer in den
Datendschungel eindringen als Neulinge den unteren
Besoldungsgruppen.
    Ulbricht ging nicht
auf Heinrichs’ Vorschlag ein. »Dann gibt es zwei
Möglichkeiten«, überlegte er. »Entweder ist
noch niemandem aufgefallen, dass er fehlt, oder es handelt sich bei
ihm um einen Ausländer.«
    »Die EU-weiten
Datenbanken stehen mir hier nicht zur Verfügung«, erwiderte
Heinrichs.
    »Wenn das da
alles nichts bringt, müssen wir noch mal zum See«,
murmelte Ulbricht. »Petersen muss alle Reifenspuren
untersuchen, die er gefunden hat. Das kann wegen der vielen Spuren
dauern, aber es ist mir egal. Vielleicht auch
Fußabdrücke, die uns einen Hinweis liefern. Wir wissen
zwar nicht genau, wie lange der Tote im Wasser lag, aber
womöglich gibt es Zeugen.«
    »Wie soll das
denn funktionieren, wenn wir den Todeszeitpunkt noch nicht einmal
bestimmen können?« Heinrichs schnaubte.
»Außerdem war der Platz übersät von Reifen-
und Fußspuren. Die Tatsache, dass es sich bei dem Parkplatz
um einen Treffpunkt zahlreicher Spaziergänger und
Ausflügler handelt, macht die Sache auch nicht gerade
leichter. Ich will nicht wissen, wie viele Leute sich da an einem
einzigen Wochenende herumtreiben. Wichtig ist, dass wir nach
Möglichkeit die älteren von den frischen Spuren trennen.
Und dann müssen wir unbedingt wissen, wann der Tote ermordet
wurde. Ohne genauen Tatzeitpunkt tappen wir im
Dunkeln.«
    »Am Beyenburger
See gibt es einige Wassersportvereine, Anglerclubs und so was. Die
müssen wir alle befragen. Das sind Leute, die sich öfters
am See aufhalten und auch immer wieder dorthin zurückkehren.
Möglicherweise ist jemandem etwas Verdächtiges
aufgefallen. Der Täter hat es jedenfalls ziemlich geschickt
angestellt, als er sich das südlichste Ufer des Sees
aussuchte. Der Teil ist ziemlich verwaist. Wenn er die Tat also
abends oder in der Nacht begangen hat, stehen die Karten gut, dass
er keine ungebetenen Zeugen hatte.«
    »Schlecht
für uns«, erwiderte Heinrichs und blickte seinen
Vorgesetzten mit heruntergezogenen Mundwinkeln an. Ulbricht musste
sich eingestehen, dass er damit nicht einmal unrecht
hatte.

6
    Wupperwelle, 22:40
Uhr
    »Guten Abend die
Dame, wo soll’s denn hingehen?«
    Heike ließ sich
in das Kunstlederpolster des Taxis fallen und betrachtete den Fahrer von der
Seite. Sie schätzte ihn auf Anfang, Mitte fünfzig. Sein
Bauch reichte fast bis zum Lenkrad. Der Mann trug einen Bart, seine
Augen lachten freundlich durch die Gläser der
Brille.
    »Nehmen Sie
Platz. Und bitte schnallen Sie sich an - wird immer wieder gern
vergessen.« Seine Stimme klang tief, er sprach Wuppertaler
Slang. Barmen, tippte Heike. Sicherlich sprach er sonst Barmer
Platt. Das unterschied sich für die Puristen der Heimatsprache
enorm vom Elberfelder Platt, denn ein einheitliches Wuppertaler
Platt gab es nicht.
    Während sie den
Sicherheitsgurt anlegte, versuchte Heike herauszufinden, woher sie
die sonore Stimme des Fahrers kannte. So unauffällig wie
möglich musterte sie den Mann von der Seite. Etwas
Beruhigendes, Väterliches ging von ihm aus.
»Marienstraße einhundert«, nannte Heike die
Adresse.
    Er nickte, ordnete
sich in den Verkehr ein und legte die

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