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Bittere Pille

Bittere Pille

Titel: Bittere Pille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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das kleine Licht über dem
breiten Bett. Die Gardinen hatte sie zugezogen, das Fenster
dahinter stand auf Kipp. Gedämpft drang der Lärm der
nahen Autobahn an ihre Ohren. Es rauschte permanent, und mit etwas
Phantasie glaubte man, dass es sich dabei nicht um das Singen von
unzähligen Reifen handelte, sondern um
Meeresrauschen.
    Doch sie hatte keine
Zeit zum Träumen. Die Sorge plagte sie, und die Angst um ihn
wurde von Stunde zu Stunde schlimmer. Zu lange schon hatte sie kein
Lebenszeichen mehr von ihm erhalten. Es war an der Zeit, das Pferd
von hinten aufzuzäumen. Ihre schlanken Finger zitterten
leicht, als sie die Nummer eintippte und das Telefon ans Ohr hielt.
Sie zog die Vorhänge einen Spalt breit auseinander und blickte
hinaus in die Nacht des Wuppertaler Nordens. Schon beim ersten
Freizeichen sprang die Mailbox an.
    Enttäuscht
starrte sie auf das Handy in ihrer Hand. Das grüne Leuchten
des Displays tauchte ihr Gesicht in ein geisterhaftes Licht. Sie
wandte sich vom Fenster ab und blickte sich im Zimmer um. Das Bett
war zerwühlt, doch in dieser Nacht würde sie wohl keinen
Schlaf finden. Das schlechte Gefühl, das sie schon
tagsüber beschlichen hatte, war nicht von ihr gewichen; im
Gegenteil, es hatte sich von Stunde zu Stunde
verschlimmert.
    Sie hatte getrunken,
um sich zu beruhigen. Ein Fehler, wie sie sich jetzt eingestehen
musste. Ihre Sinne waren benebelt. Sie war keinen Alkohol
gewöhnt. Entsprechend hatte der Whisky, den sie sich an der Tankstelle
schräg gegenüber vom Hotel besorgt hatte, schnell seine
Wirkung entfaltet.
    Sie hatte sich
machtlos gefühlt. Verdammt zum Warten.
    Jetzt war sie wirklich
machtlos. Betrunken. Selbst wenn sie jetzt hätte handeln
müssen, sie hätte es rein körperlich gar nicht mehr
geschafft. An Autofahren war nicht mehr zu denken. Seufzend sank
sie auf die Bettkante, griff nach der Fernbedienung des Fernsehers
und schaltete den Ton ab. Sie überlegte fieberhaft, was sie
tun sollte, kam aber zu keinem Schluss. Die Gedanken kreisten in
ihrem Kopf. Vergeblich versuchte sie sich an das zu erinnern, was
er ihr vor seiner Abreise erzählt hatte.
    Er traf sich mit einem
wichtigen Informanten. Ein Termin nach Einbruch der Dunkelheit, ein
Treffen an einem verlassenen Ort irgendwo in dieser beschissenen
Stadt.
    War er in eine Falle
getappt?
    Ihre Sorge wuchs ins
Unermessliche. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihm etwas
zugestoßen war, wuchs von Tag zu Tag. Normalerweise
telefonierten sie jeden Tag, aber seit Donnerstag hatte sie nichts
mehr von ihm gehört. Sein Handy war abgeschaltet, denn immer,
wenn sie seine Nummer wählte, meldete sich nach dem ersten
Freizeichen die Mailbox. Natürlich hatte sie ihm Nachrichten
hinterlassen, aber er hatte nicht darauf reagiert, was nicht seine
Art war. Sie war nach Wuppertal gekommen, denn das Treffen hatten
sie schon letzte Woche vereinbart. Das Hotel stand schon lange
fest, und Tag und Uhrzeit auch. Aber er war nicht erschienen. Sie
überlegte fieberhaft, ob sie eine Vermisstenmeldung bei der
Polizei aufgeben sollte, doch was sollte sie denen schon
erzählen? Immerhin kannte sie seine Kontaktleute. Dennoch
bezweifelte sie, dass sie ihr helfen würden. Von einem Treffen
mit diesen Personen hatte er ihr zuletzt berichtet. War bei diesem
Treffen etwas schiefgelaufen?
    Sie blickte ins Glas.
Schon wieder leer. Sie füllte auf und trank gierig. Diese
verdammte Angst um ihn brachte sie noch um. Der Whisky brannte in ihrer Kehle. Sie
schüttelte sich, dann genoss sie die Wärme, die sich in
ihrem Körper ausbreitete.
    Wo blieb er
bloß?
    Minutenlang spielte
sie mit dem Gedanken, die Polizei anzurufen. Doch dann erinnerte
sie sich daran, dass er ihr eingebläut hatte, bloß nicht
die Polizei ins Boot zu holen, egal, was auch geschehe. Es dauerte
einen Moment lang, dann tippte sie die 110. Die Ziffern schienen
sie aus dem kleinen Display des Handys heraus anzuspringen. Der
Daumen ruhte auf der grünen Taste, mit der sie die Verbindung
herstellen würde. Sie tippte die Taste an, doch nicht tief
genug, zog den Daumen im letzten Augenblick zurück.
    Keine Bullen, egal,
was geschieht, hatte er immer wieder gesagt. Sie hielt sich daran,
löschte die Nummer des Polizei-Notrufs und warf das Telefon
wütend auf das Bett.
    Sie stellte das Glas
auf den kleinen Tisch. Die Flasche war auch so gut wie leer. Es
musste ihm etwas geschehen sein, ganz bestimmt sogar!
    Wieder und wieder
wählte sie seine Handynummer, immer mit dem gleichen
Ergebnis.
    Dann wählte

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