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Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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neben einer großen betonierten Fläche. Wie tief der Berg aufgerissen war, ließ sich von Franks Standort nicht erkennen. Antonia Vanzettis neue Kellerei schien im Vergleich zu dieser geradezu winzig. Die Anlage war geschickt in die Umgebung integriert, und Frank konnte sich gut vorstellen, dass später kaum noch etwas davon zu sehen war, wenn alles von Erde bedeckt und mit Gras bewachsen war.
    Neben dem Schild PARCHEGGIO stellte Frank den staubigen Volvo auf dem Vorplatz der Villa in den Schatten.
    «Schön, dass Sie den Weg zu uns gefunden haben. Willkommen!» Avvocato Strozzi kam Frank einige Stufen entgegen und empfing ihn auf der Mitte der Freitreppe seines sehr gepflegten Hauses, das einem Palazzo ähnelte.
    Frank hob den Arm: «Nicht bewegen, Avvocato. Bleiben Sie so stehen, das Licht ist ideal, das perfekte Porträt.»
    Strozzi schien überrascht, tat aber, wie geheißen. Er trug einen erdfarbenen Maßanzug, eine grüne Krawatte und sehr teure Schuhe aus weichem, braunem Leder. Er zupfte das Sakko zurecht und strich sich in einer vornehmen Geste das Haar aus der Stirn, ganz der souveräne Schlossherr. Nur das professionelle, eingefrorene Lächeln, das an einen zähnefletschenden Wolf erinnerte, passte nicht ins Bild, obwohl Frank es inzwischen für das einzig Ehrliche an dem Mann hielt. Dazu die eisigen, unerbittlichen Augen. Wie gnadenlos mochten diese Schlossherren ihre Kinder erzogen haben? Zu ebensolchen Schlossherren?
    Frank dirigierte den Avvocato vor der Kamera nach rechts, schickte ihn nach links, ließ ihn den Kopf ein wenig senken, «... nein, noch etwas mehr, so, ja, sehr gut...», ihn sich weiter ins Licht drehen – und dann winkte er ab: «Wunderbar, Signor Strozzi. Sie sind ein ideales Modell.»
    «Normalerweise habe ich das Sagen, aber in Ihrem Fall mache ich gern eine Ausnahme. Ein interessanter Mensch übrigens, Ihr Kollege, der zum Interview hier war. Sehr versiert, mit viel Verständnis für unsere Weine. Arbeiten Sie häufiger zusammen?»
    Strozzi gab sich selbst die Stichworte zum Weiterreden. Frank musste nur ab und zu in Strozzis Richtung blicken, zustimmend brummen und konnte sich um die Belichtung kümmern. Der Hausherr begann mit dem Rundgang.
    «Was bauen Sie da unten?», fragte Frank und zeigte auf die Baustelle.
    «Unsere neue Kellerei. Bisher haben wir den Wein hier unten gemacht.» Strozzi wies mit dem Finger auf den Boden. «Alles ist unterkellert, in den Fels gehauene Stollen, es gab früher keine Elektrizität, keine Kühlaggregate. Heute zieht man anderswo in einer Woche einen Plattenbau hoch, stellt Edelstahltanks mit Kühlung rein und schaltet den Strom an.»
    «Aber die Baustelle sieht riesig aus. Wozu brauchen Sie eine so riesige Kellerei?»
    «Das täuscht, das sieht nur so aus. Wir haben 27 Hektar, wir machen so an die 190 000 Flaschen, normalen Chianti Classico, und von der Riserva etwa 25 000. Mehr nicht, größere Mengen können wir nicht lagern.»
    «Ah, deshalb der Neubau. Sie lassen extra eine Straße dorthin bauen? Das kostet sicher allerhand ...»
    «Regionale Entwicklung, Strukturförderung. Wir haben in den vergangenen Jahren auch viel Geld verdient, jetzt müssen wir investieren, damit wir konkurrenzfähig bleiben, und das auf höchstem technologischem Niveau.»
    Frank unterbrach den Avvocato: «Lassen Sie uns mal rübergehen. Ich würde gern das Innenleben der Anlage sehen. Gestern habe ich eine Kellerei besucht, da gibt es gar keine Pumpen mehr, da geschieht alles mittels Schwerkraft.»
    Strozzi rümpfte die Nase. «Bei Antonia Vanzetti, nicht wahr? Esoterischer Firlefanz. Man sagt, das Pumpen würde den Wein stressen. Was glauben Sie, wie gestresst der ist, wenn der ... wo wohnen Sie in Deutschland?»
    «In Hamburg», antwortete Frank.
    «... ja, bis der Wein in Hamburg ankommt. Das sind zweitausend Kilometer Schüttelei. Wir liefern ein Drittel in die USA...»
    «Per favore, bitte, können wir uns den Neubau ansehen?», drängte Frank, denn Strozzis Vorträge gingen ihm auf die Nerven.
    «Das geht nicht, ich muss hier auf jemanden warten, so lange können wir ...»
    «Ich gehe auch allein.»
    «Viel zu gefährlich. Hier bin ich für Ihre Sicherheit verantwortlich. Ein andermal gern, dann zeige ich Ihnen den Bau, wenn Sie wollen.»
    Ist ja gut, dachte Frank. Wenn der Avvocato ihm seine Baustelle nicht zeigen wollte, war das sein gutes Recht. Doch dass Strozzi ihm auf Schritt und Tritt beim Fotografieren folgte und ihn nicht eine Sekunde aus den Augen

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