Bitterer Chianti
Schritte beraten. Was nutzen Ihnen erpresste Geständnisse, Rionero? Gewalt, Folter! Anders kann ich diese Situation nicht interpretieren, eindeutiger geht es kaum. Ist das unser neues Italien?»
«Natürlich nicht», antwortete der Leiter der Mordkommission und strich sich über das schüttere Haar. «Ich entschuldige mich in aller Form», er schüttelte jetzt Frank die Hand. «Ich sage, dass es mir Leid tut. Was wollen Sie noch? Wem nutzt ein Verfahren gegen den Commissario?»
«Darüber sprechen wir später», knurrte der Anwalt und legte Frank den Arm um die Schultern. «Jetzt besorgen Sie uns etwas Kaffee und ein Zimmer, in dem wir ungestört sind.» Der Avvocato wandte sich an Frank: «Ist Ihr Hals in Ordnung?»
«Es geht schon», röchelte Frank und überlegte, wie er dem Commissario eins auswischen konnte. Ihm würde bestimmt was einfallen. Dann sah er im Flur Scudiere auf sich zukommen. Als der Consultore ein Handy aus der Tasche zog, hatte er den Vorsatz bereits vergessen.
«Für mich?»
Scudiere nickte. «Gib es mir zurück, bevor du wieder nach Deutschland fährst.»
«Am liebsten gleich», antwortete Frank gepresst. Der Carabiniere hatte fest zugedrückt, der Kehlkopf schmerzte, das Schlucken tat weh. Erst das Kinn, dann die Nase, jetzt der Kehlkopf – den Nächsten, der ihn angreifen würde, den würde er so zwischen die Beine treten ...
Der junge Anwalt unterbrach Franks Rachegedanken und erklärte Scudiere, dass eigentlich sein Vater habe kommen wollen, aber verhindert sei und er deshalb die Sache übernehme. Frank trank Wasser, nippte am Kaffee und am Grappa, und als er sich halbwegs erholt hatte, berichtete er vom Verhör, vom Überfall auf dem Weinberg und davon, wie er tags darauf die Kellerei von Palermo betreten und dem Hund Wasser gegeben hatte.
Avvocato Pandolfini vermutete, dass man Franks Fingerabdrücke auf dem Eimer finden würde, hielt das jedoch nicht für gravierend. «Dumm ist allerdings, dass Sie in der Werkstatt eine andere Version zum Besten gegeben haben. Auch mir sind Ihre Beweggründe dafür nicht verständlich.»
Frank erklärte es ihm. Nachdenklich putzte Pandolfini seine Brille. «Leider macht uns das allzu Menschliche oft verdächtig.»
Die Sache mit Laura wollte er auf sich beruhen lassen, solange sie keine Anzeige erstattete. Und Commissario Sassarella war einstweilen aus dem Verkehr gezogen, aber nach wie vor ein Risiko. «Nehmen Sie sich vor ihm in Acht», empfahl Pandolfini. «Er hat etwas gegen Sie. Ein übler Finger, kann morgen wieder im Dienst sein. Ich weiß auch nicht, wer im Präsidium die Hand über solche Leute hält. Da ist immer Politik im Spiel.»
«Du wirst in den nächsten Tagen selbst auf dich Acht geben müssen, Franco», sagte Scudiere. «Ich fliege morgen Abend nach Bari und komme Mittwoch oder Donnerstag zurück. Ich habe Kunden in Apulien, ein exzellentes Weingut, Primitivo di Manduria, ein toller Wein, und noch nicht zu teuer.»
«Jetzt, während der Lese, können Sie weg?», wunderte sich der Anwalt.
Scudiere breitete ergeben die Arme aus. «Die Leute da unten sind ziemlich hilflos, wenig Erfahrung im Umgang mit Qualität. Meine Winzer hier wissen, was Sache ist. Außerdem wird erst einmal gelesen, das andere erledigen wir später.»
Franks Blick fiel auf die Wanduhr, und er gab Pandolfini und Scudiere unvermittelt die Hand. «Entschuldigen Sie mich bitte, ich muss zu Strozzi!»
«Zum Avvocato? Dann viel Spaß, und richten Sie ihm meine besten kollegialen Grüße aus», meinte Pandolfini sarkastisch.
Das Weingut des Avvocato lag rechts der Landstraße am Ende einer Gruppe von Häusern. Frank hielt am Tor an, stieg aus, ging zur Gegensprechanlage mit einer Kamera darüber und sagte seinen Namen. Als das Tor lautlos zurückschwang, fiel ihm ein, dass er Scudiere nichts von den manipulierten Proben erzählt hatte, und ohne seinen Rat unternahm er besser nichts – oder sollte er mit dem Grafen Solcari darüber sprechen? Es wäre interessant zu wissen, welche Folgen die Manipulation gehabt hatte, denn ein Scherz war das wohl kaum. Am liebsten hätte er selbst mit dem betroffenen Winzer gesprochen, aber er kannte nicht mal seinen Namen.
Das Weingut Villa Strozzi lag am Ende eines lang gestreckten Hügels, der sanft nach Süden hin abfiel und mit der großen Villa des Winzers abschloss. Dort endete der Asphalt, dahinter schlängelten sich Feldwege zwischen den Weinbergen zu Tal.
An der linken Flanke des Hanges standen zwei Baukräne
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