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Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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ließ, war ihm sehr lästig, zumal er ständig seine «Weinphilosophie» zum Besten gab. Gerade klagte er über die Eigenbrötelei der Winzer. «Jeder kocht sein eigenes Süppchen – Wein meine ich natürlich.» Er lachte und zeigte die Zähne. «Jeder macht den Wein auf seine Art. So bleiben wir nicht konkurrenzfähig. Wir erleben den Ansturm der osteuropäischen Länder, Rumänien, Bulgarien. Massiv auch aus Übersee. Und hier bastelt jeder an seinem individuellen Tröpfchen. Das wird uns eines Tages Kopf und Kragen kosten. Naturalmente , der Verbraucher will Sicherheit, einfach zu trinkende Weine, auf die er sich verlassen kann. Er will einen Wein, den er kennt, den er in Deutschland trinkt und den er in Italien wiederfindet oder umgekehrt. Davon bin ich absolut überzeugt.»
    Mittlerweile hatten sie den Rundgang beendet und waren zur Villa zurückgekehrt. Strozzi ließ Frank in der Halle warten und kam mit einem in Leder gebundenen Büchlein zurück und drückte es ihm in die Hand. Machiavelli, Il Principe. Frank drehte das Buch um und sah den Abdruck des Prägestempels: eine Rosette im Kreis – das Zeichen der rechten Alleanza Nazionale, einer der Regierungsparteien, die sich krampfhaft bemühte, den Ruch des Neofaschismus loszuwerden. Also stimmte es, Strozzi vertrat sie im Parlament. Am liebsten hätte er dem Avvocato das Buch an den Kopf geworfen.
    «Wenn Sie uns verstehen wollen, dann lesen Sie ihn ... Machiavelli wird völlig falsch eingeschätzt, kaum einer hat ihn verstanden. Er hat das Böse nicht erfunden, die Macht nicht geschaffen, die war längst vor ihm da, er hat es nur aufgeschrieben, ein Chronist...»
    Immer wieder schaute Avvocato Strozzi in Richtung Tor, er schien dringend auf jemanden zu warten, und es war offensichtlich, dass Frank störte.
    Er bedankte sich für das Buch, und um nicht über das Thema zu sprechen, bei dem er unweigerlich mit Strozzi aneinander geraten wäre, kam er auf den Wein zurück.
    «Produzieren Sie selbst solche Weine, von denen Sie eben sprachen, Weine, die man überall bekommt, eine Art Markenartikel? Das wäre ja so etwas wie Coca-Cola oder McDonald’s.»
    Strozzi nickte und schien sich zu freuen, dass er Verständnis fand. Sein herablassendes Wohlwollen stieß Frank ab. «Der Vergleich mit der Limonade trifft es nicht ganz, geht aber in die richtige Richtung. Weshalb ist das Zeug – ich finde es übrigens schrecklich – so erfolgreich?»
    «Weil es süß ist», sagte Frank, «und weil sie Milliarden in die Werbung stecken.»
    «Genau. Die Menschen sind Kinder, und die mögen nun mal Süßes.» Strozzi erwartete keine Antwort, er redete sich in Fahrt: «Die Winzer hier sind rückständig. Der eine hat acht Hektar, der andere zwölf, der nächste fünfzehn und so weiter. Und jeder hat eine eigene Kellerei, eigene Tanks, eigene Maschinen – was für ein verantwortungsloser Umgang mit Kapital.» Strozzi schaute ihn über den Rand seiner Sonnenbrille an.
    «Man könnte fast den Eindruck gewinnen, dass in den Großkonzernen die wahren Sozialisten sitzen», sagte Frank lauernd. «Sie übernehmen eine Firma nach der anderen, freundlich oder feindlich, bis alles nur noch einem Einzigen gehört, nur nicht dem Staat, sondern der Bank.» Frank war sich jedoch nicht sicher, ob Strozzi die Ironie verstand. «Sie sind doch Mitglied in Berlusconis Allianz, wenn ich nicht irre?»
    Strozzi reagierte heftiger als erwartet. «Was hat man Ihnen erzählt? Dass wir Menschenfresser sind? Ausländerfeindlich? Reaktionäre, mit Truppen an der Seite der USA? Schließlich haben die uns von Ihnen befreit ... Verstehen Sie mich richtig! In erster Linie bin ich Italiener, dann Toskaner, dann Winzer, und zuletzt bin ich Diener meiner Partei. Und über allem steht die Familie.»
    Es fehlte nur noch, dass er sich bekreuzigt hätte. «Wieso sind Sie nicht in Rom? Parlamentsferien?» Frank versuchte, seiner Stimme einen möglichst harmlosen Klang zu geben. Wie konnte er diesen Strozzi loswerden? Er sollte ihn endlich in Ruhe fotografieren lassen, aber er tat ihm den Gefallen nicht.
    «Der Wähler braucht mich hier, ich brauche ihn, es ist eine Zeit der gegenseitigen Bereicherung, um zu erfahren, was wir in Rom tun müssen, wie ich dort die Interessen der Bevölkerung am besten vertreten kann ...»
    Du meinst sicher deine eigenen, dachte Frank, als er sich umsah. Dieser Familie hat seit Jahrhunderten nichts gefehlt, und Strozzi wäre der erste Politiker (außer Nelson Mandela vielleicht), der

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