Bitterer Chianti
aufgesucht haben ... es gibt Zeugen.»
Frank schüttelte den Kopf. Wie dumm diese Ausrede gewesen war, wurde ihm jetzt erst bewusst. Wieso hatte er nur solchen Quatsch erzählt?
«Folinari hat Ihnen sowieso kein Wort geglaubt, das hat er uns gleich gesagt...»
Woher wussten sie, dass er in der Werkstatt gewesen war? Hatte er dem Carabiniere das erzählt?
«Wir werden Ihnen die Fingerabdrücke abnehmen. Die Spurensicherung hat die ganze Nacht auf der Azienda gearbeitet, und wir haben eine Menge davon gefunden. Ich bin mir sicher, dass Ihre dabei sind. Man hat Sie am Morgen in der Nähe der Azienda gesehen ...»
«Ich habe mein Handy verloren, deshalb bin ich nochmal hingefahren und habe gesucht, oben auf dem Hügel...»
«Sie wollten nachsehen, ob die beiden wirklich tot waren, nachdem Sie die Leichen in die Grube geworfen hatten. Keine schlechte Idee. Nicht mal der Hund hat sein Herrchen gerochen. Aber die Leichen sind gut erhalten geblieben. Eine solche Kaltblütigkeit und Brutalität gab es hier nicht mehr, seit Ihre Wehrmacht bei uns gewütet hat!»
Frank wischte sich den Schweiß vom Gesicht. «Diese alte Scheiße holt ihr immer dann aus dem Keller, wenn es euch passt. Sie meinen, Sie greifen sich einfach den Erstbesten, der sich nicht verteidigen kann, und können Ihren Täter vorzeigen. Ich war’s nur nicht.»
«Dich bringen wir noch zum Reden, amico mio. Und Ihr Motiv finden wir auch raus. Nächster Punkt: Weshalb haben Sie beim Verlassen des Hotels eine falsche Adresse angegeben? Sie sind nicht nach Gaiole ins Hotel gefahren, sondern haben sich bei einem Winzer versteckt.»
«Ich bin ja wohl hergekommen, oder? Und dieses Mädchen, Laura, die Tochter des Hotelbesitzers, hat mich tagelang belästigt. Ich sollte Aufnahmen von ihr machen ...»
«Du geiler alter Bock», schrie der Carabiniere und stürzte sich auf Frank. «Du wolltest sie nackt fotografieren, wenn sie mit dir ins Bett geht!» Er packte Frank am Hals und riss ihn vom Stuhl. «Hast sie in dein Zimmer bestellt!» Die beiden Männer stürzten zu Boden, der Commissario sprang hinzu und trat Frank in die Seite, als jemand die Tür aufstieß.
«Basta con questo! Es reicht, Commissario!», ertönte laut eine befehlsgewohnte Stimme, und zwei Männer stürmten in den Raum. Sie waren von dem, was sie sahen, wenig begeistert und drängten den Commissario ab. Die Polizisten hinter ihnen schlossen schnell die Tür und zerrten den wutschnaubenden Carabiniere von Frank weg.
Ein junger Mann mit langen schwarzen Locken, den Frank noch nie gesehen hatte, half ihm auf die Beine. «Ich bin Ihr Anwalt», sagte er und fuhr den Commissario an: «Ist das Ihre Art, mit Zeugen umzugehen?» Er schien ernstlich um Frank besorgt, der sich bleich und atemlos den Hals rieb.
«Zeugen?», schrie der Commissario. «Er ist der Täter! Er hat Niccolò ermordet und seinen Sohn ... misero farabuttol Das werde ich beweisen!»
«Die Ermittlungen leite ich», schnauzte ihn der bärtige Mann an, der die Tür aufgerissen hatte. Er sah übernächtigt aus, rot gerändert die Augen hinter der randlosen Brille. Sein Hemd war durchgeschwitzt, die Hose zerknautscht, und ihm schien die Szene zutiefst zu missfallen. Entschuldigend sah er Frank an.
«Mein Name ist Rionero, ich leite die Mordkommission, und das hier, Signor Gatow, ist Ihr Anwalt, Avvocato Bartolomeo Pandolfini. Und Sie, Commissario, sind ab sofort suspendiert. Ob ein Verfahren gegen Sie eröffnet wird, hängt von Signor Gatow ab.»
«Natürlich erstatten wir Anzeige», sagte Pandolfini wütend, «darauf können Sie Gift nehmen.»
Frank begriff kaum, was um ihn herum passierte. Der Hals schmerzte, und auch seine Seite tat höllisch weh. Ging es um ihn, um einen Doppelmord oder um einen Machtkampf innerhalb der Polizei? Statt bei ihm entschuldigte sich der Chef der Mordkommission bei seinem neuen Anwalt. Ein bisschen jung sieht er schon aus, dachte Frank, nicht mal dreißig.
«Können wir das nicht anders regeln, Signor Avvocato? So etwas kommt vor, bei der Hitze, verstehen Sie? Es dauert seine Zeit, bis wir den Polizeiapparat modernisiert haben.»
«Spielen wir hier ‹Guter Bulle, böser Bulle›?», fragte Pandolfini den Leiter der Mordkommission scharf.
«Falsch, ganz falsch», verteidigte er sich, «es ist das Neue gegen das Alte, Köpfchen statt Knüppel. Ihr Herr Vater ...»
«Was mein Vater getan hätte, ist seine Sache. Ich bin Anwalt und kein Diplomat. Ich werde mit meinem Mandanten über weitere
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