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Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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Giacomo Paese hatte ein Kaufangebot erhalten.
    «Und Sie haben noch keine Offerte bekommen, Signora?», fragte er Antonia Vanzetti.
    «Jetzt ist mal gut», fuhr Wanda dazwischen. «Sie heißt Antonia, und Sie sind Franco. So halten wir das bei uns.»
    Frank hatte den Eindruck, dass Wanda über seine Gefühle Antonia gegenüber mehr wusste als er selbst, und der Blick, den sich die Frauen zuwarfen, sprach Bände.
    « Allora , Franco, was wollen Sie damit sagen?»
    «Vor einigen Tagen war ich bei Giacomo Paese ...»
    «Wusstet ihr, dass sie dem die Strommasten abgesägt haben, wusstet ihr das?», unterbrach Wanda aufgeregt und goss sich das Weinglas zum zweiten Mal voll.
    «Ich war da, als der Strom ausfiel», sagte Frank, «zusammen mit Stefano Scudiere.»
    «Die schuften wie die Verrückten, damit er wieder Strom bekommt. Die Polizei war da, und dann hat Giacomo auf eigene Kosten Monteure bestellt, damit die Leitung geflickt wird. Angeblich war der Störungsdienst woanders im Einsatz. So ein Unsinn ... Die Maschinen laufen nicht, Pumpen, Abbeermaschinen, Kühlung der Tanks, und zwei Tage lang hatte er kein Wasser – und das mitten in der Lese.»
    «Ist bei Ihnen noch nichts passiert, Wanda?», fragte Frank die Winzerin.
    «Non ja il menagramo», rief sie entsetzt. «Malen Sie nicht den Teufel an die Wand! Aber wo Sie gerade Malatesta erwähnen, wir haben seine gesamte Ernte unterbringen können. Allerdings sind seine Trauben jetzt auf vier verschiedene Kellereien verteilt. Das bedeutet viel Arbeit.»
    «Wenn ich Francos Vermutung richtig interpretiere», unterbrach sie Antonia, «dann meint er, dass es jemanden gibt, der die Weingüter kaufen will, der uns zum Verkauf zwingen will.»
    Frank nickte. «Sagen will ich das nicht, aber der Verdacht drängt sich auf.»
    «Es ist genauso gut möglich, dass alles Zufall ist», warf Antonia ein.
    Wanda pflichtete ihr bei. «Es gibt immer Leute auf der Suche nach Weingütern. Man kann ein wenig drehen, sein Schwarzgeld ein bisschen verstecken, offiziell zahlt man den Wert, der im Grundbuch oder auf der Rechnung steht, darauf entfällt die Steuer, den Rest erhält der Verkäufer unter der Hand. Di Chiarli hat verkauft, sagen Sie. An wen?»
    «Das müssen Sie ihn fragen, ich weiß es nicht – doch, Moment, der Kellermeister hat es mir gesagt. Die Firma ist in Colle val d’Elsa – oder in San Gimignano?»
    «Kinder, venite ragazzil Jetzt schenkt mir noch ein Glas ein, dann fahre ich wieder und überlasse euch eurem Schicksal. Wir müssen alle früh raus, aber das mit dem Makler musste ich unbedingt noch loswerden.»
    Eine Viertelstunde später waren Antonia und Frank wieder allein. «Wanda ist wie ein Sturm, sie fegt durchs Haus, wirbelt alles auf, dann verschwindet sie, und der Staub legt sich wieder.» Antonia lachte, strich sich das Haar aus der Stirn, schenkte ihr Glas wieder voll, dann setzte sie sich auf die Brüstung der Loggia und ließ die Beine baumeln. «Ohne Wanda hätte ich längst aufgegeben. Sie hat mir immer Mut gemacht, besonders als mein Mann die Kinder ins Internat steckte, zuerst den Jungen, dann das Mädchen. Seit vier Jahren lebe ich hier ganz allein. Gut, die Angestellten, die Freunde, die Frauen der Winzerkollegen.»
    Frank rang sich endlich dazu durch, sie das zu fragen, was ihn schon lange bewegte: «Leben Sie ... hier immer ... nur allein?»
    Antonia lächelte ihn charmant an. «Sie meinen, ob ich einen Freund oder einen Geliebten habe?»
    Frank brummte das Ja mehr, als dass er es sprach, denn dass seine Frage dazu diente, das Terrain zu sondieren, war allzu deutlich.
    «Finden Sie es heraus, Franco», sagte Antonia, legte den Kopf leicht in den Nacken und sah ihm in die Augen.
    Frank verließ seinen Platz am Tisch, ging auf sie zu, und da sie ihre Haltung unverändert beibehielt, war klar, was sie meinte. Ihr Mund war wunderbar warm und weich, und sie roch gut.
    Als die Tür zur Loggia zufiel, befreite sich Antonia erschrocken aus der Umarmung. «La maledetta strega », sagte sie außer Atem, «diese verdammte Hexe. Jetzt weiß sie es, und dann wird es morgen auch Massimo wissen, mein Mann. Er wird mir das Leben zur Hölle machen ...»

10
    Sonntag, 3. Oktober
    Die Dunkelheit in dem schmalen Tal zwischen den Hügeln war fast mit Händen zu greifen. Die Scheinwerfer rissen für Sekundenbruchteile die knorrigen Bäume aus der Schwärze am Straßenrand, und Frank fuhr langsam, die Kurven der einspurigen Straße waren eng. Er dachte an den Abend und

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