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Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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Fahrer noch im Bagger war? Wenn er die Polizei alarmierte, würde sicher dieser Prügel-Commissario mit seinem Wadenbeißer-Carabiniere auftauchen, und er saß wieder in der Patsche.
    Frank stellte ein Warndreieck weiter oben mitten auf die Straße. Nach einigem Suchen fand er seine Taschenlampe im Volvo und machte sich an den Abstieg. Der Bagger war auf die linke Seite gefallen, die Fahrerkabine war von hier aus nicht zu sehen, demnach musste sie unter dem Bagger liegen. Frank nahm die Taschenlampe zwischen die Zähne, um sich mit beiden Händen festhalten zu können, kletterte an Bäumen und Wurzeln in die Dunkelheit, riss sich an Dornen die Arme auf und hangelte sich an den Ketten des Baggers weiter nach vorn. MV-Leasing stand in großen Lettern an der Seite; die Motorabdeckung fühlte sich noch warm an, also war das Unglück nicht lange her.
    Er sah das zersplitterte Glas, das Blut auf den Streben und dem Felsen – und die Eingeweide, die aus der Fahrerkabine hingen. Dann erkannte er den Rest des zerquetschten Mannes. Frank konnte gerade noch die Taschenlampe aus dem Mund nehmen, bevor er sich übergab.
    Renato Benevole erlöste ihn von der unfreiwilligen Totenwache. Fünfzehn Minuten nach dem Anruf tauchte er jenseits der Schlucht auf, ließ den Motor seines Wagens laufen, und die Scheinwerfer beleuchteten die gespenstische Szenerie. Die Schaufel des Baggers ragte tatsächlich wie eine Knochenhand aus der Tiefe.
    Benevole reichte Frank eine Flasche Grappa, destilliert aus Chianti-Classico-Trester. «Trink!», sagte der Winzer, als Frank zitternd nach unten wies, wo der Tote lag. «Er ist tot? Wir können nichts mehr machen?»
    Frank schüttelte nur den Kopf und nahm einen tiefen Zug aus der Flasche. «Willst du ihn sehen?»
    Diesmal war es Benevole, der den Kopf schüttelte.
    Das Einzige, was Frank das Warten auf die Polizei erleichterte, war der Umstand, dass es sich hier offensichtlich nicht um Mord, sondern um einen Unfall handelte, obwohl sich auch Benevole nicht erklären konnte, was der Bagger, einen halben Kilometer von der Stelle entfernt, wo mit seiner Hilfe Weinberge neu angelegt wurden, nachts auf der Straße zu seinem Weingut machte. Am Rand der Schlucht vor der Brücke stand ein Verkehrsschild: Höchstgewicht 7,5 Tonnen.
    «Was hast du?», fragte Frank, als er bemerkte, dass der Winzer nervös an den Knöcheln seiner Hand knabberte. «Kennst du den da unten?»
    «Nein, das nicht. Nur ab morgen habe ich ein ganz großes Problem: Zwei Drittel unserer Weinberge liegen jenseits der Schlucht. Hier, diese Straße, ist die einzige Zufahrt nach Rondine. Wie kriegen wir die Trauben in die Kellerei?»
    Frank wachte spät auf, und das Erste, woran er dachte, war der Abend mit Antonia. Er versuchte, sich ihr Gesicht vorzustellen, was ihm nur mit Mühe gelang. Er müsste sie unbedingt Wiedersehen, möglichst bald, sie würde das verstehen. Erst dann erinnerte er sich an den Toten im Bagger. Sein Gesicht konnte er sich leider sehr gut vorstellen, und auch die dämliche Visage des Commissario.
    Der hatte es sich nicht nehmen lassen, ihn noch an der Unfallstelle zu verhören. Die Ermittlungen im Fall Palermo waren ihm zwar aus der Hand genommen worden, nicht aber die Aufnahme von Unfällen.
    Nein, er kannte den Baggerführer nicht persönlich, und er hatte ihn niemals irgendwo gesehen. Er wusste nicht, was der Baggerführer nachts auf der einsamen Brücke gewollt hatte. Nein, er konnte ein solches Fahrzeug nicht selbst bedienen. Der Commissario verstieg sich sogar zu der Annahme, dass Frank den Fahrer in die Schlucht getrieben hätte, oder er wäre bei dem Versuch, ihm auszuweichen, abgestürzt.
    «Ich treibe mit einem Volvo Kombi einen 20-Tonnen-Bagger vor mir her? Sagen Sie mal, Signor Commissario, wieso interessieren Sie sich nicht für die Frage, weshalb der Bagger überhaupt hier nachts rumfährt? Was hat der da gewollt, auf der Straße nach Rondine? Sie kennen meinen Anwalt. Wenn Sie jetzt so weitermachen, dann kassieren Sie die nächste Anzeige. Dabei kann Sie schon die erste den Job kosten.»
    «Bis dahin habe ich dich längst überführt, ragazzo mio. Wir sehen uns um 15 Uhr in Castellina auf dem Revier», sagte der Commissario tonlos. Damit war das Gespräch zu Ende gewesen und Frank entlassen. Auch wegen dieses Polizisten sehnte Frank den Tag herbei, an dem der Weinführer fertig war. Mit einer solchen Wut im Bauch schöne Bilder zu machen war zum Kotzen.
    Die Rettungsmannschaften mussten mit dem

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