Bitterer Chianti
Stimme, in der eine gewisse Traurigkeit mitschwang. Irgendwo tief in ihr saß ein Splitter.
Die Winzerin ging zu einem Seiteneingang und hielt Frank die Haustür auf. Nach wenigen Schritten waren sie in der Küche, die er vom ersten Besuch her kannte. Es duftete nach Knoblauch und Salbei. Eine junge Frau rührte in einem flachen Topf, in dem die Gewürze angebraten wurden, und gab weiße Bohnen hinzu.
«Mögen Sie fagioli all’uccelletto?»
Frank nickte, aber weshalb das Gericht Bohnen auf Vögelchenart hieß, wo statt eines Vögelchens doch Tomaten hinzukamen, konnte ihm auch weder die Köchin noch Antonia Vanzetti sagen.
«Sie wundern sich, dass ich eine Köchin habe? Sagen Sie nichts. Das sehe ich Ihnen an. Wenn im Winter wenig zu tun ist, oder am Wochenende, dann koche ich gern, manchmal auch bei meiner Freundin Wanda. Aber sonst hat das Weingut Priorität. So, ich bringe Sie jetzt in den Salon, dann entschuldigen Sie mich bitte kurz. Sie mögen Fisch? Triglie haben wir als zweiten Gang, Rotbarben.»
Frank blieb allein im Salon und sah sich um. Der Raum war hell und elegant in seiner Schlichtheit. Die Decke war hoch, die Fenster ebenfalls, sie ließen viel von dem wunderbar goldenen Licht des frühen Abends herein. Frank liebte solche Räume. Eigentlich waren es zwei, die ineinander übergingen: Der eine öffnete sich zur Loggia, der andere wies nach Norden zur Front des Hauses. Das war der dunklere von beiden, mit schweren Möbeln und goldgerahmten Gemälden eingerichtet, ein wenig Muff der Jahrhunderte und maskulin. Der andere war leicht, weit und offen, hier waren alte Accessoires wie Leuchter oder Buchstützen aus Elfenbein oder ein Wandbehang mit modernen eckigen Sitzmöbeln kombiniert. Dieser Raum bot eine Perspektive. Frank schaute durch die Loggia hinaus in den Abend über den Weinbergen und Wäldern.
Siedend heiß fiel ihm ein, dass er längst Christine hatte anrufen wollen. Er wählte die Nummer seiner Ex-Frau, aber dort ging niemand ans Telefon. Dann wollte er seinen Anrufbeantworter abfragen und tippte die eigene Nummer ein. Nach dem vierten Rufton meldete sich Christine atemlos.
«Ich bin gerade die Treppe raufgekommen», sagte sie, und Frank wusste, dass es eine Ausrede war, aber er fragte nicht weiter. Ihn interessierte vielmehr, ob bei ihr alles in Ordnung war, und Christine berichtete ausführlich. Als er zu Wort kam, fasste er sich ungewöhnlich kurz.
«Was ist mit dir? Hört sich an, als wolltest du nicht, dass ich komme», sagte Christine beleidigt.
Frank wiegelte ab. «Du verstehst mich falsch, viel Arbeit, sehr viel Stress, es ist heiß und anstrengend, dauernd fremde Leute ...» Er wusste, dass sie ihn sehr wohl verstand, denn im Moment wollte er sie tatsächlich nicht hier haben. Er durfte Christine nicht in diesen Schlamassel reinziehen. Jederzeit konnten die Prediger wieder auftauchen, jetzt, wo die Leichen der Palermos gefunden worden waren und sie annehmen mussten, dass er sie erkannt hatte. Er wusste nicht einmal, wem er wirklich trauen konnte, bis auf Stefano – und wahrscheinlich Malatesta.
«Wir können vielleicht noch ein wenig zusammen fotografieren, hier, du und ich ...»
«Was redest du für einen Unsinn, Papa? Deshalb komme ich doch. Du scheinst wirklich überarbeitet zu sein. Dabei beneidet dich jeder, Weinlese in der Toskana, ein Traum ...»
Antonia Vanzetti war kaum wiederzuerkennen, als sie hereinkam und Frank aufforderte, mit auf die Loggia zu kommen. Sie war entspannt und erholt, und da sie auf jegliches Make-up verzichtet hatte, wirkte sie besonders jugendlich. Vielleicht lag es auch am Licht. Frank blickte auf ihre Hände. Antonia trug keinen Ehering, nicht einmal ein Abdruck oder ein weißer Streifen war zurückgeblieben. Also trug sie den Ring schon lange nicht mehr.
Die weiße Bluse mit dem großen Kragen kontrastierte mit ihrer gebräunten Haut, und der schwarze Rock hatte genau die richtige Länge, er endete kurz oberhalb des Knies. Passend zu der bequemen Garderobe trug sie schwarz-weiße Ballerinas. Verdammt, mir fehlt die Kamera, dachte Frank spontan. Aber wozu hatte er schließlich Augen?
Draußen auf der Loggia war an einem großen Tisch für zwei Personen gedeckt. «Ich habe heute aber nicht Geburtstag», sagte Frank, als er das festliche Arrangement sah.
«Ich brauch das auch ab und zu», sagte Antonia Vanzetti. «Wenn Sie auf dem Land leben, allein, und von morgens früh bis abends spät schuften, haben Sie einen Ausgleich nötig. Ich gehe
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