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Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Titel: Bitterer Nachgeschmack - Anthologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Senghaas , Iny Lorentz
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der Krieg aus. Wir hörten, dass durch Johann Casimirs Geschick und seine neutrale Haltung das Herzogtum Coburg von den Verheerungen verschont wurde. Wir kehrten zurück.
    Knapp 20 Jahre nach Annas und meiner Flucht standen wir in Lohn und Brot auf einem Gut in Heldburg. Anna war nun 66 Jahre alt, eine stattliche ältere Frau, der die harte Arbeit immer noch leicht von der Hand ging. Sie strotzte vor Gesundheit. In all den Jahren waren wir nie von unserer Vergangenheit eingeholt worden. Zwar war in der ersten Zeit hin und wieder der Name ›Anna von Sachsen‹ gefallen, meist hinter vorgehaltener Hand. Ihr Tod in Gefangenschaft bewegte die Menschen. Doch alle glaubten an ihr trauriges Ende in einer Zelle.
    In Heldburg klatschte man ausgiebig über Johann Casimir, schließlich gehörte man zu seinem Herrschaftsgebiet, und man redete über Ulrich von Lichtenstein, der immer noch, inzwischen ein betagter Mann, in seinem Gefängnis in der Coburger Stadtmauer einsaß. Mehrere Gnadengesuche, so erzählten die Leute, habe der Herzog abgelehnt. Anna ließ sich nichts anmerken. Ich fragte sie nie, aber mir schien, als habe sie Ulrich und ihre Liebesbeziehung, die ihr Leben zerstört hatte, tief in ihrem Inneren vergraben.
    Die Zeiten wurden schwierig. Johann Casimir war dem schwedischen Bündnis beigetreten und 1632 belagerte Wallenstein mit seinem Heer die Veste Coburg. Johann Casimir floh nach Thüringen. Angst und Unruhe machten sich breit. Zwar brach Wallenstein die Belagerung schließlich ab, aber es hieß, der Krieg würde bald über das Herzogtum hereinbrechen, es sei nur noch eine Frage der Zeit. Wir hatten gehört, welche Verheerungen die Kämpfe in anderen Teilen des Landes anrichteten. Man sprach von den vielen Toten, den verstümmelten Kindern, den verbrannten Feldern und dem Hunger. Meine Namensliste wuchs und wuchs.
    Anna und ich waren beunruhigt. Wir waren zwei schutzlose Frauen. Wie lange würde man uns in Heldburg dulden?
    23. M AI 1633
    Anna streckte den Rücken. Sie hob die beiden Milchkannen an und trug sie zum Haupthaus. Als sie die Wirtschaftsküche betreten wollte, hörte sie, wie zwei Mägde miteinander plauderten.
    »Sie soll gar nicht tot sein«, sagte die eine.
    Anna erstarrte. Rasch glitt sie in den Schatten der Hausmauer.
    »Was meinst du?«, fragte die andere, die Maria hieß, ein junges Ding von vielleicht 17 Jahren.
    »Anna von Sachsen!« Die erste Stimme erklang wieder, bebend vor Aufregung. »Sie ist 1613 gestorben. In Gefangenschaft.«
    »Und?«
    »Sie soll nicht tot sein. Im Sarg hat eine andere gelegen. Sagt man.«
    »Komm schon, Grete, das ist doch nur ein Gerücht. Und obendrein eine Ewigkeit her. Wer interessiert sich denn noch für Anna von Sachsen? Alle haben Angst um den Herzog!«
    »Der Herzog selbst«, Grete senkte die Stimme, »hat bereits Kenntnis von diesem Gerücht. Man sagt, er erwägt, den Sarg wieder aus dem Grab holen zu lassen und ...«
    Annas Schultern wurden steif. Laut und bestimmt auftretend, ging sie in die Küche hinein. »Angst um den Herzog? Was ist mit ihm?«
    Maria und Grete betrachteten Anna erschrocken. Vor der stattlichen, arbeitssamen Frau hatten alle Mägde Respekt. Sie stellte die Milchkannen ab und richtete ihr Tuch, wobei sie die beiden Mädchen erwartungsvoll ansah.
    »Der Herzog soll schwer krank sein«, gab Grete Auskunft. »Er leidet an Steinen und niemand kann ihm helfen. Nicht einmal die besten Ärzte, die er aus ich weiß nicht wo herkommen lässt.«
    »Steinleiden sind schlimm«, nickte Anna und gab ihrem Gesicht einen mitleidigen Ausdruck. »Und äußerst schmerzhaft.«
    Grete beugte sich vor und berührte die beiden anderen Frauen an den Schultern. »Dennoch kommt er nach Heldburg. Sie sagen, er würde hier Verhandlungen führen.«
    »Ach so?« Anna hob die Augenbrauen. Ihr Herz raste. »Mit wem denn?«
    Grete zuckte nur die Achseln. »Mehr weiß ich auch nicht.«
    »Wann kommt er?«, erkundigte Anna sich, als fragte sie, welche Kuh noch zu melken sei.
    »In wenigen Tagen!« Grete machte runde Augen. »Ich bin so aufgeregt. Ich habe ihn noch nie aus der Nähe gesehen. Vielleicht bringt er seine Frau mit. Margarethe. Sie soll so hübsch sein!«
    Maria verdrehte die Augen. »Sie denkt, sie ist etwas Besonderes, unsere Grete. Dabei ist sie nur eine einfache Magd.«
    Beleidigt schürzte Grete die Lippen. »Ich weiß aber Bescheid über Dinge, von denen ihr gar keine Ahnung habt. Ich weiß nämlich«, sie senkte die Stimme, »dass der Herzog mit

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