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Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Titel: Bitterer Nachgeschmack - Anthologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Senghaas , Iny Lorentz
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anrührte. Und ihre Kammerzofe.
    Wenn er ihr das Mädchen nähme, würde sie sterben.
    Agnes setzte sich neben sie und legte den Arm um Annas Schultern.
    Niemand hofft ungestraft, dachte Anna.
    »Es wird Zeit, dass wir uns etwas anderes überlegen, Hoheit«, sagte Agnes.
    26. J ANUAR 1613
    Aus Barbaras Schriften hatte ich gelernt, dass in der Hoffnung der eigentliche Antrieb zum Leben bestand. Deswegen musste man Menschen in verzweifelten Lagen die Hoffnung erhalten. Soweit es eben möglich war. Und gleichzeitig versuchen, Kleinigkeiten zu verbessern, damit die Hoffnung Nahrung erhielt.
    Kurz nach Neujahr hatte man eine alte, entfernte Cousine des Herzogs auf die Veste gebracht: Leopoldine-Sophie. Sie lag im Sterben. Ihre Lungen wollten nicht mehr. Die Alte hustete bereits Blut. Sie starb am 22. Januar.
    Mechthild, Alke, Gesche, Katharina, Veronika, Käthe, Hildegard, Barbara, Hedwig, Helene, Uta, Gertrud, Barbara, Christine, Adelheid, Bertha, Leopoldine-Sophie...
    Ich kannte die Prozedur, wenn eine Leiche gewaschen und für das Begräbnis hergerichtet wurde. Doch diesmal sah ich besonders genau hin. In meinem Kopf begann sich ein Gedanke festzusetzen. Ein ungeheuerlicher Plan. Ein Einfall, wie Anna von Sachsen ihren Kerker auf der Veste Coburg würde verlassen können.
    Fieberhaft durchdachte ich meinen Plan wieder und wieder. Er schien mir zu kühn, zu verwegen und gerade deswegen glaubte ich an ihn.
    Der Sarg mit der Toten stand aufgebahrt in der Kapelle. Die Frauen waren zur Totenwache eingeteilt. Weil es ununterbrochen schneite und wegen der klirrenden Kälte hieß es, dass man den Leichnam erst später als geplant von der Burg wegbringen und bestatten würde. Auch ich musste an der Totenwache teilnehmen. Zwei Tage nach dem Tod der herzoglichen Cousine hatte man den Sarg bereits geschlossen. Als ich nachfragte, erhielt ich die Auskunft, die Burgbewohner hätten Angst vor der Krankheit der Alten. Vielleicht sei es etwas Ansteckendes gewesen. Da der Winter die Veste bereits seit Wochen in seinen eisigen Pranken hielt, waren viele kränklich. Plötzlich breitete sich ein Husten aus, der an allen Ecken und Enden in den klammen Gemäuern zu hören war. Die Menschen bekamen Angst, pressten sich Tücher vor Mund und Nase und versuchten, möglichst nicht mit einem Kranken in Berührung zu kommen.
    Ich war überzeugt, dass all die Furcht unbegründet war. Die alte Leopoldine-Sophie hatte angeblich seit Jahren an dem blutigen Husten gelitten und erst jetzt war sie daran gestorben. Vielleicht auch einfach an Altersschwäche. Sie war weit über siebzig.
    »Mach, dass du aus der Küche rauskommst!«, herrschte Affra mich an, als ich nach der Totenwache noch etwas zu essen holen wollte. »Du hast am Bett der Alten gesessen, du hast bei der Leichenwäsche geholfen. Meinst du, ich will dich hier drin haben?«
    Erschrocken blieb ich in der Tür stehen. Drohend kam Affra auf mich zu, einen Tiegel in ihrer Hand. »Na, was ist?«
    Ich drehte mich um und rannte davon.
    Im Burghof hielt ich inne. Es war ganz still auf der Veste. Unaufhörlich fiel Schnee.
    Ich würde die Fürstin hier wegbringen; die Gunst der Stunde nutzen und dafür sorgen, dass wir uns aus dem Staub machten, bevor irgendjemand nachfragte.
    Am nächsten Morgen setzte ich das Gerücht in die Welt, dass Johann Casimirs Gefangene ebenfalls an dem Husten litt. Man mied mich noch deutlicher als die Tage zuvor.
    Ich hielt die Angst vor dem Husten für einen Seelenzustand, den Barbara in ihren Aufzeichnungen als eingebildetes Kranksein‹ beschrieb. Also schürte ich die düsteren Vorahnungen von Krankheit und Sterben, die sich in der eisigen Dunkelheit des Januars in jedem Winkel der Burg ausbreiteten.
    Am 25. Januar lag bereits die Hälfte aller Bewohner und der Dienerschaft, von Husten gekrümmt, in den Betten. Ob sie wirklich krank oder nur eingebildet krank waren, vermochte ich nicht zu sagen. Es spielte für meinen Plan auch keinerlei Rolle. Wichtiger war, dass die Krankheit gerade unter den Wachleuten rasant um sich griff. Jeden Winter fielen etliche der Männer aus, weil sie sich in Wind und Schneesturm erkälteten und so oft Tage oder Wochen nicht zum Dienst erscheinen konnten. Nach meinem Besuch bei Anna war der Wächter, dem ich gewöhnlich den Zellenschlüssel am Abend auszuhändigen hatte, nicht an seinem Posten. Ich steckte den Schlüssel ein.
    Einen Tag später meldete Affra sich krank. Ich ging zu ihr.
    »Was willst du?«, keuchte sie mürrisch. In ein

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