Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Titel: Bitterer Nachgeschmack - Anthologie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Senghaas , Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
paar Wolltücher gewickelt, lag sie auf ihrer Bettstatt. Die frische Röte, die sonst ihr Gesicht belebte, schien wie weggeblasen. Sie war dünn geworden und sah blass und ausgelaugt aus.
    »Ich habe dir eine Suppe gekocht.«
    Affra richtete sich, um ein Lächeln bemüht, auf. Oft hatte ich mit dem einen oder anderen Trank einem kranken Diener oder einer Magd geholfen. Dankbar nahm sie den Becher entgegen. Ich schämte mich ihres Vertrauens.
    Das Extrakt aus Blauem Eisenhut wirkte in Augenblicken. Affra sank in sich zusammen. Die Muskeln in ihrem Gesicht verkrampften, aber das Gift war zu stark für einen langen Todeskampf. Nur ein einziger Tropfen Blut rann an ihrem Mundwinkel herab.
    Affra erhielt einen sehr einfachen Sarg, der umgehend zugenagelt wurde. Dem Schreiner, der sie einsargen musste, stand die Furcht ins Gesicht geschrieben. »Dieser Husten«, ächzte er, »ist eine ganz heimtückische Krankheit. Weißt du das, mein Kind?« Er sah mich durchdringend an. Ich hatte Asche über meine Wangen und die Stirn gerieben. Ich wollte, dass man mich für krank hielt, damit man mich mied.
    Mein Herz war zu einem steinharten Klumpen geschrumpft. Ich hatte getötet. Ich hatte es für Anna von Sachsen getan, aber das änderte nichts an den Tatsachen.
    In der Nacht löste ich die Nägel. Der Schreiner hatte in seiner Angst schlampig gearbeitet. Es fiel mir leicht, den Deckel wieder aufzulegen und die Nägel genau so in das Holz zu treiben, wie der Mann es getan hatte. Zuvor allerdings legte ich ein paar Steine, die auf der Rautenkranz-Bastei nach Ausbesserungsarbeiten liegen geblieben waren, in den leeren Sarg.
    Schwieriger war, Affra im Dunkel der Nacht zum Gefängnis der Fürstin zu schleppen. Die Köchin war schwer und noch schwerer wog mein Gewissen, dass ich Gott gespielt und ein Leben gegen ein anderes ausgetauscht hatte. Die Schuld würde nie von mir genommen werden können. Für mich, eine Mörderin, gäbe es kein Verzeihen. Nur die Hölle wartete auf mich. Mein Atem raste, als ich meine Last endlich durch den engen Gang vor Annas Zelle schleifte. Durch die schmalen Fenster hoch oben schien grell der Vollmond.
    Mechthild, Alke, Gesche, Katharina, Veronika, Käthe, Hildegard, Barbara, Hedwig, Helene, Uta, Gertrud, Barbara, Christine, Adelheid, Bertha, Leopoldine-Sophie, Affra ...
    27. J ANUAR 1613
    Drei Särge warteten nun auf die Bestattung; doch die war wegen des strengen Winters aufgeschoben. Niemand würde auf dem Friedhof eine Grube ausheben können, kein Gespann wäre imstande, einen Wagen den Festungsberg hinabzuziehen, ohne dass die Tiere sich die Beine brachen und klagend verendeten, und so standen die Toten auf der Oberen Bastei, wo der Schnee ihnen ein frostiges Leichentuch gewebt hatte.
    Einer der Särge war der von Anna von Sachsen.
    Anna selbst saß in ihrem Versteck, einem winzigen Verlies tief unten im Bulgarenturm, und wartete auf Agnes. Es schien ihr immer noch unglaublich, was ihre Kammerzofe da eingefädelt hatte. Im selben Augenblick brachten wilde Freude und zugleich maßloses Entsetzen Anna schlicht um den Verstand. Ihr Herz raste, vor Aufregung, vor Glück, voller Hoffnung und dann wieder voller Furcht.
    Der Leichnam der Köchin Affra war zweimal eingesargt worden. Das zweite Mal in Annas Kleidung, das Gesicht bedeckt mit einem weißen Tuch. Der Schreiner hatte zwei Nägel ins Holz geschlagen und war dann geflüchtet, Verwünschungen murmelnd. Die Wache, die die Zellentür geöffnet und die vermeintlich tote Anna von Sachsen verkrümmt auf der Bettstatt hatte liegen sehen, lag bereits hustend auf ihrem Lager.
    Einer der Särge auf der Hohen Bastei war bis auf ein paar schwere Steine leer.
    Herzog Johann Casimir weilte in Eisenach bei seinem Bruder. Der Bote, der ihm die Nachricht vom Ableben seiner ersten Ehefrau überbringen sollte, war kaum imstande, bei dem Schneesturm die Burg zu verlassen, geschweige denn, eine so weite Reise zu unternehmen. Man hatte entschieden, dass er sich erst auf den Weg machen sollte, wenn das Wetter sich besserte. Aber Anna und Agnes mussten weg, und zwar so schnell wie möglich. Noch stand das Leben auf der Veste still - wegen der klirrenden Kälte, die alles erstarren ließ, und wegen der Angst vor dem Zorn der Krankheit - doch das würde sich bald ändern, und je weiter die beiden Frauen bis dahin von Coburg wegkämen, umso besser.
    Ein leises Kratzen klang über die Treppen. Anna löschte die Kerze, die Agnes ihr dagelassen hatte. Um sie breitete sich

Weitere Kostenlose Bücher