Bitteres Blut
mit sich sprechen lässt.«
»Wie? Seid ihr etwa schon wieder auseinander?«
»Wird sich zeigen«, sagte Lorinser und öffnete die Tür. Er lachte, obwohl ihm gar nicht zum Lachen zumute war. »Ich denke, sie wird ganz schön sauer sein. Weil ich zu der Truppe gehöre, die ihren Vater verhaftet hat. Juristin ist sie auch noch. J-u-r-i-s-t-i-n, Franz! Du weißt ja, diese Typen nehmen alles übel, und sie haben jahrelang studiert, um Ärsche wie uns nach allen Regeln der Kunst fertigzumachen. Besonders dann, wenn sie irgendwo ein Haar in der Suppe finden.«
Steinbrechers Gesicht zerfiel. Fassungslos starrte er Lorinser an, unfähig, Worte zu finden. Unvermittelt zog er die Schreibtischschublade auf, tastete darin herum, als suchte er seine Dienstwaffe für den finalen Abgang. Lorinser schluckte. Als die Hand wieder zum Vorschein kam, sah er jedoch zu seiner Erleichterung in ihr nur ein Päckchen Taschentücher.
»Nur die Ruhe, Franz, es wird schon werden«, sagte er. Aber mehr zu seiner als zu Steinbrechers Beruhigung.
»Dein Wort in Gottes Ohr«, murmelte Steinbrecher und zog eines der Tücher aus der Packung, um sich die Nase zu schnäuzen.
13
Bossens Fax lag auf seinem Schreibtisch. Lorinser warf einen Blick darauf. Zwölf Namen. Zwölf Anwohner rund um das Moor. Ein kurzer, handschriftlicher Kommentar des Lemförder Polizisten. »Alles alteingesessene Bürger, Kollege, solide wie Granit. Der unten aufgeführte Reit- und Fahrverein wurde 1988 gegründet und umfasst 89 Mitglieder. Der Vorsitzende heißt Volkhart Holtkötter, Presbyter der evangelischen Kirche, Pferdeliebhaber und Züchter von belgischen Rammlern. Wenn du mehr über die Leute wissen willst, musst du ihn in Dielingen anrufen. Ob das Sinn macht, weiß ich nicht. Tut mir leid, nichts Besseres anbieten zu können. Bossen.«
Du . Solidarität auf Papier gebannt. Das war doch mal was!
Zwölf Namen, zwölf alteingesessene Bürger: Landwirte, eine Floristin, Angestellte, ein Gastwirt, der Reit- und Fahrverein, was auch immer sich dahinter verbarg. Wahrscheinlich wilde Kerle, die mit langen Peitschen Gespanne über die Felder trieben. Auf jeden Fall neunundachtzig Personen. Wenn man die Familien hinzurechnete, kamen sicherlich über zweihundertfünfzig zusammen, und damit ein Mount Everest an Ermittlungsarbeit, die sich über Wochen, wenn nicht Monate erstrecken würde. Von wegen Heldenkampf gegen das Verbrechen!
Das Blatt landete wieder in der Ablage, in der auch der Ausdruck der Telekom lag, in der die abgegangenen und empfangenen Anrufe auf Böses Handy fein säuberlich für den verstrichenen Monat verzeichnet waren. Porsche-Zentrum Osnabrück, Diskotheken, junge Frauen, die Kreissparkasse und so weiter und so fort aus der Banalität des Alltags. Während des Sonntags vor seinem Ableben war er zweimal vom Festnetzanschluss der Simmerau angerufen worden. Einmal um fünfzehn Uhr zweiunddreißig, dann wieder um sechzehn Uhr neun. Zehn Minuten später, wie Steinbrecher herausgefunden hatte, hatte Böse eine Pizza in Lemförde bestellt. Ein letzter Anruf vom Münztelefon des Festwirtes um ein Uhr sechs. Wer der Anrufer war, hatte sich trotz Befragung des Wirtes und des Schankpersonals nicht feststellen lassen. Angenommen hatte Böse das Gespräch nicht.
Lorinser griff nach dem Telefon, rief Paula erst vergeblich auf der Festnetznummer und danach auf ihrem Handy an. Sie drückte ihn vier Mal aus der Leitung. Erst beim fünften Mal nahm sie ab und bewies ihm mit ihrem geharnischten »du fehlst mir gerade noch!«, dass man einem auch per Telefon die kalte Schulter zeigen kann. In ihrer Stimme war aber überwiegend Sorge, als sie ihm erzählte, dass sie zusammen mit ihrer Mutter bei ihrem noch immer bewusstlosem Vater sei, den man inzwischen allerdings von der Notaufnahme in den Aufwachraum verlegt habe. Das heißt, sie sei jetzt im Flur, weil das Telefon dauernd geklingelt habe. Und: »Nein, er ist noch nicht bei Bewusstsein, genauso wenig wie ihr bescheuerten Bullen es gewesen sein konntet, als ihr ihn unter Verwendung fadenscheiniger Gründe festgenommen habt!« Ein heftiges Einatmen. »Du hast doch auch mit dem Fall zu tun, oder nicht?«
Worte wie Giftpfeile.
»Ja, habe ich«, sagte er. »Aber bis vor wenigen Minuten hatte ich nicht die Spur einer Ahnung, dass wir es mit deinem Vater zu tun haben.«
»Und wenn du es gewusst hättest?«
»Das weiß ich nicht, Paula. Ich will dich sehen.«
»Ich weiß nicht, ob ich dich jetzt ertragen
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