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Bitteres Blut

Bitteres Blut

Titel: Bitteres Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Voss
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respektieren muss. Aber das ist nicht alles. Das zweite Problem bist du. Der Polizist, der mit dem Fall befasst ist und der verpflichtet wäre, das, was ich ihm sage, in seine verdammten Akten zu schreiben, in die dann jeder Einsicht nehmen kann.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Dass er unschuldig ist, nur das!«
    »Was sich beweisen ließe, wenn wir herausfinden, wem der gelbe Sportwagen gehört, mit dem er vom Dammer Flugplatz abgeholt worden ist, nicht wahr?«
    Sie ließ den Kaffeelöffel fallen und starrte ihn, wie er fand, entsetzt an. Er spürte ihren Schrecken, ihre Angst. Ein Gefühl der Wärme und des Mitleids durchströmte ihn. Er beugte sich über den Tisch, fasste nach ihren Händen und drückte sie.
    »Paula«, sagte er mit sanfter Stimme, »ich bin hier hergeschickt worden, um herauszufinden, ob dein Vater haftfähig ist. Er wird, sobald die Ärzte das Okay geben, in ein Gefängniskrankenhaus verlegt werden. Ich denke, das solltest du ihm ersparen. Den Sportwagen werden wir über kurz und lang sowieso finden. Das ist nur eine Frage der Zeit. – Er gehört einer Frau, stimmt’s?«
    Obwohl sie noch immer schwieg, wusste Lorinser, dass er ins Schwarze getroffen hatte. Es handelte sich um ein Versatzstück der Banalität, aufgeführt von der ahnungslosen Ehefrau, dem alternden Ehemann und seiner letztendlich doch nicht so sorgsam versteckten Geliebten.
    »Deine Mutter ist natürlich ahnungslos?«
    Paula nickte. »Die beiden sind seit Ewigkeiten verheiratet«, sagte sie. »Wenn sie es erfährt, dann bringt sie sich um. Und wenn sie sich umbringt …«
    »Sie wird es nicht erfahren, Paula.«
    »Wie willst du das denn garantieren? Deine Kollegen werden schäumen, weil sie ihre Krallen aus der schon sicher geglaubten Beute ziehen müssen.«
    »Wir werden die Geschichte vertraulich behandeln.«
    »In einem Dorf? Wie willst du das denn schaffen?«
    »Ob Dorf oder nicht, das spielt doch keine Rolle.«
    »Und ob es eine Rolle spielt. Hier bleiben die Leichen nicht nur länger in den Kellern, hier wissen fast alle darüber Bescheid. Von den Zugezogenen mal abgesehen.«
    »Hast du eine Alternative?«
    »Keine, die so einfach ist.«
    »Also?«
    Sie entzog ihm die Hände, rieb sie, griff dann nach seinen und drückte sie so fest, als suchte sie Halt. »Sie heißt Karla. Karla Harpstedt«, sagte sie schließlich nach langem Zögern. Und dann nannte sie ihm die Adresse.
    So sieht man also aus, wenn der schon sicher geglaubte dicke Fisch vom Haken gesprungen ist, dachte Lorinser, als Hildebrandt den Hörer mit einer Vorsicht auflegte, als befände sich in seinem Inneren hochexplosiver Sprengstoff. Ihr Gesicht war noch immer blass, aber unter der Haut schien es zu glühen. Scham oder Zorn, das war nicht genau auszumachen. Ihre ungeschminkten Lippen waren spröde, die Augen trübe. Die dunklen Schatten darunter waren größer geworden, zerfließende Tintenkleckse der Enttäuschung. Im Raum hing noch immer der dezente Geruch des Parfüms, mit dem sich Krögers Geliebte in ihrem gelben MG-Cabrio kurz vor dem Eintritt in die Inspektion auf die Vernehmung vorbereitet und vielleicht seelisch gestärkt hatte. Eine imposante Brünette von vierzig Jahren, den fülligen Körper in teure Designerklamotten gehüllt, verschämt, aber nicht schüchtern. Ihre Worte lagen fein säuberlich unterschrieben in der grünen Mappe neben dem Rechner. Worte, gegen die weder das Misstrauen Hildebrandts noch das nörgelnde Erschrecken des Staatsanwalts etwas hatten ausrichten können. Worte, wie Hildebrandt schließlich eingestand, »wie ein Schuss mitten ins schlagende Herz«. Richtig daran war, dass Kröger damit von jedem Verdacht befreit worden war.
    Hildebrandt hob den Kopf, rieb sich die geröteten Augen und verzog, als sie Lorinser zunickte, den Mund zu einem kläglichen Lächeln. Der Schuss hatte sie wohl mitten ins Herz getroffen. »Spielen Sie Lotto, Kriminalobermeister?«
    »Nein«, sagte er verwundert.
    »Spielen Sie überhaupt?«
    »Nicht um Geld«, sagte er.
    »Sollten Sie aber. Bei dem Schwein, das Sie haben. Wenn Sie erlauben, bringe ich den Einsatz. Sie liefern die Zahlen. Ich wette, es sind die richtigen.«
    Auch eine Art, einem die Professionalität abzusprechen, dachte Lorinser. »Und dann?«
    »Sie meinen, wenn der Mann den Geldkoffer abgeliefert hat?« Ihr Rücken straffte sich. »Ich wäre für eine lange Reise. Ganz hoch in den Norden, ganz tief in den Süden. Ohne Plan, ohne Ziel, bleiben und gehen, wie es einem so

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