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Bitteres Blut

Bitteres Blut

Titel: Bitteres Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Voss
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einfällt. Frei von Zwängen sein, machen, was sein kann , begreifen Sie?«
    Und wie gut er begriff. Ihre Träume von grenzenloser Freiheit, aus der Schmach der Niederlage geboren. Aber überrascht war er doch, dass sie ausgerechnet jetzt, wenige Augenblicke nachdem sie dem Staatsanwalt zerknirscht eingestanden hatte, den »Karren an die Wand gefahren« zu haben, ihm, dem suspekten Frischling aus den Tiefen des Ruhrgebiets, sozusagen ihr Herz öffnete.
    »Ich fürchte, so schön Reisen sein können, irgendwann verlieren sie ihren Reiz«, sagte er, schon, um der Kollegin sein Mitgefühl zu vermitteln. »Spätestens dann, wenn sie zur Gewohnheit geworden sind.«
    »Nicht, wenn man die entsprechende Begleitung hat. Einen Glückspilz zum Beispiel.«
    Glatteis, dachte er, obwohl er dieses Kribbeln der Verführung spürte. Er sagte: »Gefährlich, diese Glückpilze. Das sind die hochgiftigen Gewächse mit den langen, weißen Stielen und dem grellroten, weiß gepunkteten Lamellenschirmen. Fliegenpilze. Ziemlich tückisch. Der Rausch dauert nur wenige Stunden, und wenn er vorbei ist, kotzt man sich die Seele aus dem Leib.«
    »Unausweichlich, ohne Ausnahme, meinen Sie?«
    Zum Teufel, wie weit will sie denn noch gehen? »Vielleicht gibt es Ausnahmen«, sagte er. »Ich weiß es nicht.«
    »Es ist vermutlich eine Frage des ersten Schrittes. Wie eine Brücke zu betreten, deren Ende man nicht sieht, und von der man nicht weiß, ob sie ans andere Ufer oder in den Abgrund führt. Man ist zu feige, sich der Wahrheit zu stellen. Es könnte ja ein Absturz sein, oder?«
    Ja, er verstand. Nicht nur ihre Hemmungen, aus sich herauszugehen, sondern ihren von den Ereignissen hervorgerufenen psychischen Zustand. Hildebrandt, vom plötzlichen Tod ihrer Mutter sowieso bis in die Tiefe ihrer Seele erschüttert, litt sichtlich unter dem Wissen, für die Folgen, die der Haftbefehl gegen Kröger verursacht hatte, mit verantwortlich zu sein. Sein Zusammenbruch, die Schuldgefühle, ihn ausgelöst zu haben, und nicht zuletzt das Bewusstsein, falsche Entscheidungen getroffen zu haben, hatten sie offensichtlich zutiefst verunsichert und dieses bizarre Spielchen ausgelöst, das in seinen Augen nichts weiter als das Schreien einer Verletzten nach Trost sein konnte. Vollkommen durch den Wind, die Frau. Dennoch fühlte er sich in die Enge getrieben. Verzweifelt versuchte er, eine Antwort zu finden, die sie weder verletzte noch ihr eine Beziehung in Aussicht stellte, die, er war sicher, nur unheilvolle Komplikationen heraufbeschwören und in einer Katastrophe enden konnte. Mal abgesehen davon, dass sein Kopf voller Paula war.
    »Ja, das kenne ich. Nur dass Brücken immer das andere Ufer erreichen. Wenn nicht, sind es keine«, sagte er, weil ihm nichts Besseres einfiel, und weil er hoffte, sich so aus der Affäre ziehen zu können. »Das herauszufinden, heißt, eine Entscheidung zu treffen. Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht.«
    Sie hob die Brauen, sah ihn einig Sekunden lang erstaunt an, als hätte sie sich verhört. Aber dann nickte sie. Anscheinend warsie zu einem ähnlichen Schluss wie er gekommen. Dass es besser sei, das brisante Thema zu begraben. Wenigstens für den Augenblick, da es galt, mit den Wunden fertig zu werden, die der Tod ihrer Mutter und der Fall Kröger geschlagen hatten.
    Sie schob ihm den grünen Hefter zu, in dem die Dokumentation ihrer Niederlage eingeklemmt war, und langte nach ihrer Handtasche. »Fest steht, wir stehen jetzt ziemlich belämmert dar. Nein, nicht wir, ich«, korrigierte sie sich überraschend selbstkritisch und warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Ein Seufzen. »Schon wieder so spät …« Ein weiteres Seufzen. »Ich hoffe inständig, dass wir diesen leidigen Fall bald vom Tisch haben. Aber danach sieht es ja leider nicht aus, nicht wahr?«
    Sie stand auf und hängte sich die Handtasche über die Schulter.
    »Ich bin eigentlich recht optimistisch«, sagte Lorinser und erhob sich ebenfalls. »Wir haben eine vielversprechende Zeugenaussage, nach der Böses Porsche im Oppenweher Moor versteckt wurde.«
    »Versenkt, meinen Sie?«
    »Nein, das geht wohl nicht, ohne ihn von einem Flugzeug abzuwerfen. Sagt Hauptkommissar Bossen. Wenn der Wagen sich dort befindet, dann wahrscheinlich in einem der landwirtschaftlichen Gebäude.«
    »Wahrscheinlich?« Hildebrandt winkte ab. »Mit Wahrscheinlich kriegen wir nicht mal das Nachdenken des Richters über eine Durchsuchungsaktion. Nicht nach dem heutigen Debakel. Oder wollen

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