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Bitteres Blut

Bitteres Blut

Titel: Bitteres Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Voss
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Timmermans beschworene Regelwidrigkeit im Käfig seiner Erinnerung zu finden. Er war der Meinung, sich überaus korrekt verhalten zu haben. Was ihm regelwidrig erschien, war die schulmeisterliche Art des Dienststellenleiters, ihm ein schlechtes Gewissen einzureden, ohne auf den Punkt zu kommen.
    »Ich bin bekannt dafür, dass ich aus meinem Herzen keine Mördergrube mache, Herr Kriminalobermeister. Meine Devise: Problem erkannt, Problem gebannt! Sie können sicher sein, dass ich stets auf der Seite meiner Beamten stehe, aber was ich nicht dulden kann und nicht dulden werde, sind Mitarbeiter, die das hervorragende Ansehen meiner Dienststelle beschädigen. Leider habe ich Anlass, Ihnen genau das vorzuwerfen.«
    »Wenn, dann bitte so konkret, dass mir eine allgemeine Beichte erspart bleibt.«
    Timmermans schob das Kinn nach vorne. »Ich nehme an, Sie sind aus Überzeugung Polizist geworden?«
    »Wollen Sie die ganze Wahrheit?«
    »Ich bitte darum!«
    »Es war Leidenschaft, Herr Kriminalrat. Für Jean Gabin in seiner Rolle als Kommissar Maigret. So banal es Ihnen auch erscheinen mag.«
    Timmermans schüttelte den Kopf. Das Kinn fuhr in die Ausgangsstellung zurück. Ein Lächeln zuckte um seine Lippen. »Maigret also?«
    »Maigret«, sagte Lorinser, obwohl es nur die eine Hälfte der Wahrheit war. Die andere lauerte im dunklen Bereich seiner Erinnerung. Blutige, zu Eis erstarrte Bilder, die hin und wieder mit einer gewaltigen Explosion in seinem Hirn zersplitterten und ihn zurück in jene Schreckenssekunde katapultierten, als das Geschoss aus einer Polizeipistole das Leben seines besten Freundes beendete und seines in einen zur Buße verpflichtenden Albtraum verwandelte …
    »Um ehrlich zu sein, ich hätte auf Mike Hammer getippt. Um Ihnen jedoch die Generalbeichte zu ersparen: Der Herr Landtagsabgeordnete Reets rief mich vorhin an. Er seinerseits hatte kurz zuvor ein aufschlussreiches Gespräch mit dem Bürgermeister der Samtgemeinde Lemförde, der ihm berichtete, dass eine mehr als aufgebrachte Dame aus seinem Behuf sich über die Art und Weise empörte, wie Sie mit ihr umgesprungen sind. Klingelt’s jetzt?«
    »Gertraude Simmerau?«
    Timmermans warf einen Blick auf seinen Notizblock und nickte. »Dieselbe, mein Lieber. Eine Dame der resoluten Art und nicht ohne Beziehungen, wie mir scheint. Was, zum Teufel, haben Sie nur mit ihr angestellt, dass sie so fuchsteufelswild geworden ist?«
    »Ich habe sie sachgerecht befragt, mehr nicht.«
    »Sachgerecht? Wohl eher in unangemessenster Form, wie sie laut Reets behauptet, rüde und ehrverletzend!« Der Bleistiftknallte erneut auf die Platte. »Punkt eins: In welcher Sache haben Sie die Dame überhaupt vernommen? Punkt zwei: Welche Erklärung haben Sie für Ihr Verhalten?«
    Die weiße Wand hinter dem Schreibtisch war mit Urkunden und Fotos von Massenläufen gepflastert. Mitsamt einem guten Dutzend nach Größe geordneter Pokale auf einem Bord darunter wiesen sie Kriminalrat Timmermans als Freund geduldig ertragener Qualen nicht enden wollender Langlaufkurse aus. In seinem von Wind und Wetter gegerbten Asketengesicht jedoch zuckten jetzt Ungeduld und Ärger. Als Lorinser den Sachverhalt nach Punkt eins geschildert hatte, starrte Timmermans ihn kopfschüttelnd und mit hochgezogenen Brauen an.
    »Eine gestohlene Leiche?«
    »Ich habe verschwunden gesagt, Herr Kriminalrat. Wenn sie denn, wie der Zeuge behauptete, an der Stele gehangen hat.«
    »Finden Sie das nicht ein bisschen seltsam?«
    »Nicht nur ein bisschen.«
    »Haben Sie sich gefragt, ob Ihnen da ein Streich gespielt worden ist?«
    »Mir? Ich kenne hier noch nicht mal alle Kollegen, und privat halten sich die Bekanntschaften in engen Grenzen. Nein, einen Streich, der mich treffen sollte, halte ich für ausgeschlossen.«
    »Da haben Sie wohl Recht, aber … Da unten war Schützenfest, die Leute begießen sich tagelang die Köppe mit dem elenden Alkohol, und der eine oder andere kommt im Rausch auf die übelsten Ideen. Solch ein Strick muss ja zunächst einmal gar nichts besagen. Es kann ja auch dem Versuch gedient haben, dem Gedenkstein den Kopf abzureißen. Haben Sie weitere Indizien gefunden?«
    »Böse, das tatsächliche oder vermeintliche Opfer, ist weder zu Hause noch auf seiner Arbeitsstelle erschienen.«
    Timmermans rollte den Bleistift zwischen seinen Händen. Seine Stirn zerfaltete sich zu einem Waschbrett, während seineBlicke zu dem mit Kakteentöpfen besetzten Fenster wanderten, hinter dem sich in einiger

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