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Bitteres Blut

Bitteres Blut

Titel: Bitteres Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Voss
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etwas hilflos, aber durchaus kritisch an. »Mit dem Kleidchen werden Sie doch wohl nicht auf Wanderschaft gehen wollen, oder?«
    »Ob mit oder ohne, ich werde auf keinen Fall so lange hier bleiben, bis der Strauß verwelkt ist.«
    »Sie sollten vernünftig sein und die Entscheidung den Ärzten überlassen, mein Lieber.«
    Hildebrandt sah ihm in die Augen, ohne auch nur eine Sekunde den Blick abzuwenden, während Steinbrecher zustimmend zu ihren Worten nickte.
    »Das werden wir ja sehen«, sagte er, entschlossen, den Aufenthalt im Krankenhaus so kurz wie möglich zu halten, während ihm einfiel, dass Hildebrandt ihn, als er angeschlagen auf dem Spielhallenboden lag, mit dem Vornamen angesprochen hatte. Und jetzt: mein Lieber ! Gehörte sie etwa zu den Frauen mit ausgeprägtem Mutterinstinkt, die ihr Herz erst dann entdecken, wenn man mehr oder weniger hilflos am Boden liegt?
    Innerlich sozusagen die Achseln zuckend, öffnete er einen der beiden Schränke, in denen er seine Kleider zu finden hoffte. Im zweiten fand er sie. Er nahm sie, entschuldigte sich und ging ins Bad, um sich endlich zu erleichtern. Nach einer schnellen Wäsche kleidete er sich an.
    Den Raucherraum gab es zwar noch, aber er war verschlossen. Ein griesgrämiger Hüftgelenkpatient klopfte mit seiner Krücke empört gegen den an der Scheibe klebenden Zettel, auf dem mitHinweis auf die Freifläche vor dem Hauptportal Rücksichtnahme gegenüber den nicht rauchenden Patienten eingefordert wurde.
    »Und wer«, blaffte er, »nimmt Rücksicht auf meinen Seelenfrieden?«
    Eine gute Frage, fand Lorinser, die jedoch unbeantwortet im langen Flur der Station hängenblieb. Zurück blieb die Frage, ob es nicht an der Zeit sei, die weiße Fahne zu hissen und endgültig auf den blauen Dunst zu verzichten. Mit dem Ersparten, überlegte er, kannst du dann die Isabella auf Vordermann bringen. Isabella! Zum Teufel, wo hatte er die abgestellt?
    Als er draußen vor dem Eingang neben der Zahlenskulptur eines gewissen Hans Albert Walter den lange vermissten Rauch in die Lungen pumpte, hatte er die Frage und den guten Vorsatz bereits vergessen. Trotz der kritischen Blicke der Kollegin Hildebrandt, die auf dem Weg nach unten eher beiläufig die Festnahme nicht nur »dieses Früchtchens«, sondern auch seines hockerschwingenden Komplizen verkündet hatte.
    »Ein zwanzigjähriger Peruaner, dessen Touristenvisum schon letztes Jahr abgelaufen ist und der vorgibt, kein Deutsch zu verstehen. Ziemlich unglaubwürdig, meine ich, wenn man bedenkt, dass er sich mit unserem Riesenbaby über komplizierte Tatstrategien verständigt haben muss. Zugedröhnt war er auch. Wir fanden in seiner Jacke eine angebrochene Tube Industriekleber und diverse Plastiktüten, die wohl zum Schnüffeln des Zeugs dienten.«
    »Das Koks des Prekariats«, sagte Lorinser. »Das Gehirn wird von den Dämpfen geradezu zerhackt. Kein Wunder, dass der Bursche keine Hemmungen hatte.«
    »Ich war zu weit weg, um eingreifen zu können«, sagte Steinbrecher zerknirscht. »Du warst aber auch zu schnell«, fügte er mit einem leisen Vorwurf in der Stimme hinzu.
    »Und ich war auf Tuchfühlung und habe trotzdem nicht kapiert, dass die beiden zusammengehören. Mach dir also nicht in die Hose.«
    »Das Problem ist, dass wir im Grunde keine richtige Handhabe haben«, sagte Hildebrandt. »Der eine, gegen den wir genügend Beweise haben, schützt den anderen mit seinem Schweigen und kann obendrein wegen seines Alters nicht verurteilt werden. Der andere, wenn es denn überhaupt zu einer Hauptverhandlung kommt, kriegt wahrscheinlich für die gegen Sie begangene Körperverletzung nicht mehr als den Freiflug in seine Heimat.« Sie hob bedauernd die Schultern und blickte Lorinser an. »Auf Ihre Genugtuung, fürchte ich, werden Sie verzichten müssen.«
    »Na ja«, sagte er, »so rachsüchtig bin ich gar nicht. Und falls ich nicht drüber hinwegkomme, bleibt mir ja noch, ihn zur Rettung meiner Ehre auf Säbel oder Barhocker zu fordern. Falls ich bis dahin entlassen bin und er nicht schon ausgewiesen worden ist.« Er sog so heftig an der Zigarette, dass das Papier zerknitterte. »Was gibt es denn Neues im Fall Böse? Ist der Bericht der Rechtsmediziner eingegangen?«
    In Hildebrandts Gesicht schwang plötzlich etwas Düsteres mit. Die Frage schien ihr nicht zu gefallen. Vielleicht, dachte er, kommt ihr dein Ausfall nur zu Recht, weil sie keine Rücksicht mehr auf dich nehmen muss.
    »Der Dienst lässt Sie wohl auch in Ihren Träumen

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