Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bitteres Blut

Bitteres Blut

Titel: Bitteres Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Voss
Vom Netzwerk:
nicht los, wie?«
    »Der Dienst?« Als ihm einfiel, dass Kopfschütteln mit schnellem Schmerz bestraft wurde, war es schon zu spät. Aus seinem linken Auge schossen Tränen. »Nein«, quetschte er sich stöhnend ab, »ich möchte nur endlich wissen, ob der Fall tatsächlich einer ist.«
    »Von der Idee der Selbsttötung können wir uns jedenfalls mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verabschieden«, sagte Hildebrandt geschraubt. »Was ihn getötet hat, ist ein brachial geführter Schlag im oberen linken Schläfenbereich. Die Kollegen lokalisierten im Gehirn neben zahlreichen Keramiksplittern einen etwa vier Zentimeter großen, bemalten Pferdekopf aus Porzellan.«
    »Einen Pferdekopf?«
    »Ja. Allem Anschein nach gehört er zu einer etwa dreißig Zentimeter großen Figur, die im Bereich des Halses unter der Wucht des Schlages abgebrochen ist. Die dort vorgefundenen Hautabschürfungen und die Nackenwirbelfrakturen sind nach dem Exitus entstanden. Wahrscheinlich bei dem von dem Zeugen Hollenberg wahrgenommenen Umstand, die Leiche an der Gedenkstele aufzuhängen. Der Todeszeitpunkt liegt laut Bericht zwischen null Uhr und null Uhr dreißig.«
    »Das kann nicht richtig sein!«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Das Tanken«, erwiderte Steinbrecher. »Böse hat kurz vor eins oben auf der Bundesstraße seinen Porsche betankt.«
    »Laut Bankkartenabbuchung um genau zwei Minuten vor eins«, sagte Lorinser. »Demnach muss er also danach ums Leben gekommen sein.«
    Hildebrandt warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Das müssen und werden wir prüfen«, sagte sie. »Aber ich denke, als Festlegung wollen die Kollegen die Zeitangabe wohl auch nicht betrachtet wissen. Und ob die mögliche Abweichung eine Bedeutung hat, werden wir sicherlich bald herausbekommen.«
    »Hoffentlich auch, ob der Rest der Porzellanfigur ebenfalls in der Güllegrube abgelegt wurde.«
    »Bestimmt«, sagte Hildebrandt und streckte Lorinser die Rechte entgegen. »Ich muss mich leider sputen. Der Dienst. Kommen Sie mir ganz schnell wieder auf die Beine und … vielleicht nutzen Sie die Chance, vom blauen Dunst loszukommen.«
    »Wünsche ich dir auch«, sagte Steinbrecher. »Ich meine, dass du schnell wieder in Ordnung bist«, fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu.
    »Vielen Dank für den Besuch«, sagte Lorinser und schob sich die fast aufgerauchte Zigarette zwischen die Lippen. Er blickte ihnen nach, bis sie hinter dem Gebäude in Richtung des Parkplatzes verschwunden waren, im Kopf das Bild des Pferdetorsos, der auf dem Grund der Krögerschen Güllegrube lag.
    Das Leben hat bittere Kapitel, von denen die meisten am besten mit einem Achselzucken abgetan werden. Dazu gehörte seine Verletzung, die sich trotz der kurz vor der Entlassung aus dem Krankenhaus eingenommenen Schmerztablette mit ihrem intervallmäßig auftretenden dumpfen Pochen immer wieder bemerkbar machte. Ebenso der Arzt, ein bärtiger Vierziger mit randloser Brille und dem gütigen Blick eines Betonbunkers, der sich trotz allen Wehrens nicht hatte erweichen lassen, ihn dienstfähig zu schreiben. Nicht dazu gehörte der gelbe Zettel, der ihn wegen der Notwendigkeit der weiteren medizinischen Beobachtung für mindestens zwei weitere Tage kaltstellte. Noch weniger die aufreizend muntere Anrufbeantworterstimme Paulas, die ihm sagte, dass sie leider nicht zu erreichen sei, sich aber später ganz bestimmt melden werde. Tröstlich war nur, dass Lorinser sich auf dem Weg nach Hause im Taxi an den Parkplatz vor dem Freibad erinnerte, auf dem er vor dem nächtlichen Einsatz die Isabella abgestellt hatte.
    Im Innenraum, aufgeheizt von der unbarmherzigen Sonne, stieg ihm der Geruch des über vierzig Jahre währenden Autoschicksals in einer Mischung aus Plastik, Benzin und Schweiß in die Nase. Seine Hände zuckten vom glühenden Lenkrad zurück, als er sich hinter das Steuer klemmte. Eilig kurbelte er beide Seitenfenster herunter, um ein wenig kühlenden Zug zu schaffen. Aber die Luft stand. Das Gekreische der offensichtlich meist jungen Badegäste hinter der Hecke schnitt sich in seine Gehörgänge, noch mehr das ätzende Geknatter eines frisierten Motorrollers, der von einem flach über dem Lenker liegenden Jugendlichen in Richtung Amtsgericht gedroschen wurde. Die aufreizend leicht bekleideten Körper zweier freundschaftlich ineinander verhakter Teenager wischten zusammen mit einem weißen Pudel wie schnell laufende Filmbilder am Auto vorbei, erloschen, kaum, dass er sie wahrgenommen

Weitere Kostenlose Bücher