Bitteres Geheimnis
verschwanden wieder, und am Ende dieser langen, heißen Nacht traten sie laut klagend mit einem leblosen Bündel auf den Armen aus dem Nebenzimmer. So war Teds Mutter gestorben.
Hoseah McFarland war Wanderprediger. Nach dem Tod seiner Frau hatte er seine wenigen Habseligkeiten zusammengepackt und war mit seinen Söhnen durch die Südstaaten gezogen. Sie lebten in Zelten, und während Hoseah, der Verkünder der frohen Botschaft, den Sündern dieser Welt mit Hölle und Verdammnis drohte, mußten seine Söhne mit dem Hut herumgehen, der unweigerlich bis zum Rand voll wurde. Als Ted dreizehn war, drückte ihm sein Vater ein Paar Krücken in die Hand, zeigte ihm, wie er ins Zelt zu hüpfen hatte und nach der Predigt die Krücken wegwerfen und nach vorn, zum Podium, stürzen mußte, um Gott und Hoseah McFarland für das Wunder zu danken, das an ihn geschehen war.
Ted machte seine Sache ausgezeichnet. Die armen Schwarzen und das >weiße Pack< spendeten, was sie hatten. Hoseah wurde ein wohlhabender Mann. Und wenn Ted nach der Predigt einmal in. den privaten Teil des Zeltes vordrang, um sich ein Wort der Anerkennung von seinem. Vater zu holen, wurde er nicht eingelassen, weil Hoseah sich höchstpersönlich um das Seelenheil einer jungen Dame bemühte.
Eines Abends dann war im Zelt Feuer ausgebrochen. Hoseah McFarland konnte sich retten, aber viele Menschen wurden in der allgemeinen Panik getötet, und einer von Teds kleinen Brüdern wurde zu Tode getrampelt. Ted war um sein Leben gelaufen und auf den ersten Güterzug gesprungen, der an den Baumwollfeldern vorbeigerattert war.
Er hatte sich auf diese Weise bis nach Chicago durchgeschlagen und sich dort mit kleinen Diebstählen und Betrügereien über Wasser gehalten. Doch 1932, mitten in der Depression, war er von der Polizei bei einem Überfall auf einen alten. Mann geschnappt und in ein katholisches Heim für streunende Jungen gesteckt worden.
Und dort hatte er zum katholischen Glauben gefunden.
»Und dein Vater und deine Brüder?« fragte Mary. »Weißt du, wo sie jetzt sind?«
Ted wußte es nicht, und es interessierte ihn nicht. Die Kirche war sein Zuhause geworden. Lucille hatte er von seinen frühen Jugendjahren nichts erzählt. Er war zweiundzwanzig gewesen, als er sie kennengelernt hatte, zu stolz damals, um über seine beschämende Vergangenheit zu sprechen. Lucille stammte aus einer gutbürgerlichen Familie und war sehr behütet aufgewachsen. Ted hatte sie sehr geliebt und hatte gefürchtet, sie würde nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen, wenn er ihr gestand, aus welchen Verhältnissen er kam. Er hatte ihr statt dessen erzählt, die Erziehungsanstalt sei ein Waisenhaus gewesen, aber er hatte fest vorgehabt, ihr später die Wahrheit zu sagen. Aber die Jahre vergingen, und Ted hatte es immer wieder aufgeschoben, und schließlich hatte er den bequemsten Weg gewählt, und seine Vergangenheit einfach vergessen.
Aber mit Gloria hatte er endlich darüber sprechen können. Es war ihm ein dringendes Bedürfnis gewesen, da gerade in den letzten Jahren die Erinnerungen ihn immer häufiger geplagt hatten.
Mary fragte sich, als sie das von ihrem Vater hörte, was kann Gloria dir geben, das Mutter dir nicht geben kann? Und was, fragte sie sich weiter, kann diese Frau dir geben, das ich dir nicht geben kann? Bei dieser Überlegung begriff sie plötzlich, daß ihr Schmerz, als sie von der Beziehung ihres Vaters zu Gloria Renfrow erfahren hatte, nicht ihrer Mutter gegolten hatte, sondern sich selbst. Sie selbst hatte sich als die Betrogene gefühlt.
»Daddy«, sagte sie, »warum ist Mutter so, wie sie ist? Manchmal glaube ich, daß andere ihr wichtiger sind als wir. Immer kümmert sie sich um andere, geht Krankenbesuche machen, sammelt Kleider für die Armen, und für uns hat sie kaum Zeit.«
Ted legte seiner Tochter den Arm um die Schultern. »Vielleicht ist das ihre Art, gute Werke zu tun, um Erlösung von ihren Sünden zu finden.«
»Mutter? Sie sündigt doch nicht!«
»Vielleicht glaubt sie es aber.«
»Daddy, sie trinkt furchtbar viel. Bin ich daran schuld?«
»Nein, sicher nicht. Sie trinkt schon lange, Mary. Sie braucht es. Du hast es nur vorher nicht bemerkt.«
»Warum läßt du dich von ihr rumkommandieren?«
»Wahrscheinlich, weil das der Weg des geringsten Widerstands ist. Ich weiß es selbst nicht genau. Das ist auch etwas, was deine Mutter braucht, und ich lasse es ihr gern. Schau mal, Mary, ich habe meine Mutter nie gekannt. Sie starb, ehe ich alt
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