Bittersuess
jetzt ist auch alles geklärt, alles gesagt. Mich hält hier nichts mehr.
Am Flughafen warten bereits Jenny und Markus. Meine Freundin hat jetzt schon total verheulte Augen und ich nehme sie fest in den Arm.
„Ich werde dich so vermissen, Stella“, weint sie leise.
„Ich dich auch. Aber ich komme euch besuchen – und ihr könnt auch jederzeit zu uns kommen“, schlage ich ihnen vor.
„Das machen wir ganz bestimmt. Spätestens zu Hochzeit“, zwinkert Markus mir zu, doch ich sehe in seinen Augen, dass seine Lockerheit nur gespielt ist.
„Und ich muss jetzt mit Ma und Pa allein unterm Tannenbaum hocken“, seufzt Jonas gespielt leidend auf.
„Wenn du es nicht mehr aushältst, dann komm’ vorbei und wir machen einen drauf“, grinst Markus ihn an.
„Kümmert euch um meinen Bruder“, lächele ich den beiden zu.
„Das brauchen sie nicht. Ich bin schon groß“, lacht Jonas, aber seine Augen sind traurig, dann wendet er sich an Nicolas. „Pass immer gut auf sie auf. Sie kann eine furchtbare Nervensäge sein, aber sie ist wirklich ganz toll“, fügt er dann an und jetzt kullern meinem Bruder Tränen über die Wangen.
Ich kann ihn nicht weinen sehen, das konnte ich noch nie. Ich nehme ihn wieder in den Arm, doch seltsamerweise weine ich nicht.
„Keine Sorge. Ich werde sie so gut beschützen, wie ich kann“, verspricht Nicolas ihm.
Wir beschließen, die Abschiedszeremonie so kurz wie möglich zu halten, ich mag so was nicht und meinen Freunden macht es das auch nicht leichter, wenn wir noch länger hier rum stehen.
„Feiert schön Weihnachten“, rufe ich ihnen zum Abschied zu.
„Du auch“, entgegnet Jenny und winkt noch einmal heftig.
Ich bin fast schon erleichtert, als ich im Flugzeug sitze. Nachdenklich betrachte ich den Flughafen. Ich horche in mich. Nein, da ist kein Abschiedsschmerz und da sind auch keine Tränen.
Vielleicht hab ich in der letzten Zeit genug geweint, überlege ich.
Nicolas zieht mich in seinen Arm und streichelt mir über den Rücken.
„Alles klar?“, fragt er mich mit seiner sanften Stimme.
„Ja, alles klar“, antworte ich und lehne mich an ihn an.
11
Während des Fluges sage ich kaum etwas. Ich versuche die ganze Zeit, mich selbst zu durchleuchten, zu ergründen, ob es mir leidtut oder nicht.
Da ist eine gewisse Wehmu t wenn ich an Jonas, Jenny und Markus denke. Und Verletztheit über das Verhalten meiner Eltern. Haben sie so wenig Vertrauen in meine Urteilskraft? Oder vernebelt das Bedürfnis, ihr Geld zusammenhalten zu wollen, ihr Denken? Es ist schon sehr traurig, dass es so gekommen ist. Aber weinen – weinen kann ich nicht.
Ich bin sogar sehr ruhig, aber das kann auch daran liegen, dass Nicolas mich immer noch im Arm hält un d mich streichelt, mir liebevolle Kosenamen ins Ohr flüstert.
Nur beim Landeanflug werde ich nervöser, fliegen ist halt wirklich nicht mein Ding, umso erleichterter bin ich, als die Maschine endlich aufsetzt und schließlich steht.
Julio holt uns ab und begrüßt uns freundlich. Er staunt über die ganzen Koffer, die ich dabei habe, aber grinst dann nur.
Während der Fahrt zurück schlafe ich auf der Rückbank ein, mit dem Kopf auf Nicolas’ Schoß. Ich registriere noch, dass er mich besorgt anschaut, ich nehme seine Hand und hauche einen Kuss darauf, dann fallen mir die Augen zu.
Doch es ist kein richtig tiefer Schlaf. Mal höre ich Julio und Nicolas miteinander reden, dann weckt mich ein Schlagloch.
Als wir da sind, kommen sofort Marta und Lucia aus dem Haus gerannt. Ihre Gesichter strahlen und auch ich freue mich wirklich, sie zu sehen.
„Stella!“, ich werde gedrückt und geherzt und der freundliche Empfang tut mir unheimlich gut.
Wir werden ins Haus gezogen, wo der Tisch schon reichlich gedeckt ist. Ich habe sogar Hunger und die leichte und fröhliche Art, wie hier alle miteinander umgehen, hebt meine Laune.
„Nicolas hat uns am Telefon erzählt, dass du jetzt schon mit zurück kommst“, Lucia wirkt betrübt während wir essen. „Er hat gesagt, wie deine Eltern reagiert haben.“
„Sie verstehen meine Entscheidung nicht“, erkläre ich nur.
„Vielleicht sollten Lucia und ich mal nach Deutschland fahren und mit ihnen reden?“, Marta schaut mich erwartungsvoll an.
„Oh Marta“, ich bin ganz gerührt von den Worten der alten Dame. „Das ist lieb, aber ich denke, es würde nichts ändern“, ich greife über den Tisch nach ihren Händen und drücke sie leicht. „Mein Vater kann sehr stur
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