Bittersuess
eine Lösung?
„Viel scheinst du nicht mitzunehmen“, stellt mein Vater fest.
„Die meisten Dinge passen nicht nach Argentinien“, erkläre ich ihm. Mein Hals ist trocken und mein Herz rast vor Aufregung.
Er lacht zynisch auf. „Da hast du wohl Recht.“
Ich bekomme ein ungutes Gefühl.
„Stella – ich bin hier um dich ein letztes Mal zu fragen, ob du es dir überlegt hast“, sagt er dann und durchbohrt mich förmlich mit seinem Blick.
„Ihr kennt doch meine Entscheidung“, antworte ich heiser. „Ich gehe mit Nicolas nach Argentinien.“
„Und dein Studium? Deine beruflichen Perspektiven? Das alles willst du wirklich aufgeben? Stella, was ist denn mit dir bloß los? Wir erkennen dich überhaupt nicht wieder!“, er sieht mich streng an. Autoritär. Eine Respektsperson eben.
„Verstehst du es denn immer noch nicht? Ich liebe Nicolas“, versuche ich ihm zu erklären.
„Liebe! Was für ein Wort!“, mein Vater sieht mich verächtlich an. „ Du bist erst zweiundzwanzig, du kannst das überhaupt nicht beurteilen. Nach der kurzen Zeit, die ihr euch kennt, erst recht nicht. Dieser Mann ist nichts für dich, Stella. Er spielt in einer ganz anderen Liga als du. Du hast Klasse und du wirst doch nicht irgendeinen dahergelaufenen argentinischen Rinderzüchter heiraten, der nach der Hochzeit wahrscheinlich zu einem Macho mutiert! Wir haben dich zu einer selbstständigen jungen Frau erzogen – jedenfalls dachten wir das. Aber jetzt benimmst du dich wie eine Närrin. Stella wach doch bitte endlich auf, bevor er dir fünf Kinder macht und du dort drüben versauerst!“, er kommt auf mich zu und will mich an den Oberarmen packen, doch ich weiche zurück.
„Das reicht!“, Nicolas Stimme klingt eiskalt und seine Augen fixieren meinen Vater.
„Ich entschuldige mich für seine Worte“, sage ich schnell und werfe Nicolas einen flehenden Blick zu, dann wende ich mich wieder an meinen Vater.
„Ich bin selbstständig. Und ich treffe meine Entscheidungen alleine, Papa. Ich habe einen ganz besonderen Menschen kennen lernen dürfen und den lasse ich nie wieder gehen“, ich bin erneut erschrocken über meinen Vater. Hab ich ihn wirklich nie gekannt?
„Ja klar“, lacht er bitter auf. „Er kommt aus einer ganz tollen Familie.“
„Du kennst doch seine Familie gar nicht“, schleudere ich ihm jetzt entgegen. „Seine Familie ist ganz wundervoll – und sie mögen mich. Mich! Stella! Nicht die reiche Millionärsgöre, sondern mich als Menschen!“
„Das glaubst du doch selbst nicht. Sie wissen ganz genau, dass du irgendwann mal erben wirst. Aber auch davor werde ich einen Riegel schieben. Solltest du gleich wirklich gehen, dann enterbe ich dich. Dann bleibt dir nur noch der Pflichtteil“, seine Stimme ist lauter geworden. „Sie ist keine so gute Partie mehr“, wendet er sich an Nicolas, der ihn keine Sekunde aus den Augen lässt.
Langsam werde ich immer wütender. „War’s das jetzt?“
„Eines noch: Falls du jemals wieder klar im Kopf werden solltest – du kannst jederzeit wieder zu uns kommen, Stella“, seine Stimme wird weicher.
„Danke Papa . Aber ich war noch nie so klar wie jetzt.“
Er dreht sich zornig auf dem Absatz herum und geht mit schnellen Schritten zur Wohnungstüre. Mit einem lauten Knall schlägt er sie hinter sich zu.
Ich bleibe wie versteinert auf der Stelle stehen. Meine Wut ist verpufft, ich fühle mich einfach nur leer und ungeheuer müde.
Nicolas kommt wieder zu mir, er sieht mich traurig an. „Es tut mir so leid für dich, Stella.“
„ Schon gut“, ich zucke ich gleichgültig mit den Schultern. „Das muss es nicht. Er hat sich unmöglich benommen.“
Jonas kommt kurze Zeit später, Nicolas erzählt ihm vom Besuch meines Vaters und mein Bruder sieht mich fassungslos an. „Er will dich auch noch enterben?“
„Ja, du bist jetzt eine noch bessere Partie“, zwinkere ich ihm zu.
„Der spinnt doch total“, echauffiert sich mein Bruder.
„Lass gut sein, Jonas. Sein Besuch eben hat mir noch einmal die Augen geöffnet“, ich staune über mich selbst, normalerweise bin ich doch so eine Heulsuse, aber im Moment fühle ich mich nur total ausgelaugt.
Wir packen zusammen und fahren zum Flughafen. Alles ist weihnachtlich geschmückt, die Tage zuvor war mir das gar nicht so aufgefallen. Jetzt betrachte ich jedes Detail dieser Stadt. Meiner Heimatstadt.
Ich werde schon einiges vermissen, das weiß ich. Aber die Vorfreude auf ein Leben mit Nicolas ist größer. Und
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