Bittersuess
eine Infusion im Arm und eine Sauerstoffmaske auf dem Gesicht. Ich kann wieder besser atmen, aber die Angst lässt mich fast durchdrehen.
„Wir sind gleich da“, Jenny streichelt über meine Hand. „Halt e durch Stella, bitte“, höre ich sie sagen, die Geräusche werden irgendwie immer leiser und die Gesichter um mich herum verschwimmen, bis ich gar nichts mehr sehen kann.
‚Keine Angst, Kleines, Papa ist bei dir. Du bekommst einen Gips um den Arm und dann ist alles wieder gut’ , höre ich meinen Vater sagen.
Ich bin von einem Apfelbaum gefallen, weil ich blöderweise die kleine Katze vom Nachbarn retten wollte. Die Katze ist längst wieder unten, als der Ast nachgibt.
Komisch, dass mir das jetzt einfällt.
Noch mehr Bilder schießen durch meinen Kopf. Meine Schulabschlussfeier, die Führerscheinprüfung. Mein erster Tag an der Uni kommt mir wieder in den Sinn.
Der Club, in dem ich sooft war und Luka ist da, einer meiner Ex-Freunde. Dann spüre ich die Dunkelheit der Fabrikhalle, und die Fessel um mein Handgelenk. Ich sehe die dunklen, sanften Augen von Nicolas und höre seine Stimme. Es ist unser Hochzeitstag, ich bin glücklich.
14
Es ist alles so komisch. Manchmal habe ich das Gefühl, etwas zu hören, Stimmen und ein komisches Piepsen, dann sinke ich wieder in völlige Dunkelheit.
Doch etwas drängt mich jetzt dazu, die Augen zu öffnen, ich komme mir wieder so vor, als ob ich gefangen wäre und mein Herz beginnt vor lauter Angst schnell zu schlagen. Ich spüre es richtig stark gegen meinen Brustkorb hämmern.
Bin ich in der Fabrikhalle? War alles nur ein Traum?
Ich zwinge mich mit aller Macht, die Augen zu öffnen, es fällt mir so unglaublich schwer, aber ich schaffe es. Es ist alles merkwürdig verschwommen und ich muss mich richtig anstrengen, um klar zu sehen.
Dieses Piepsen nehme ich wieder verstärkt war, ich drehe mich nach der Geräuschquelle um.
Es ist ein Monitor. Es ist ein Monitor, der Herztöne aufzeichnet.
Meine Herztöne.
Ich bin in einem Krankenzimmer.
Sofort bekomme ich Panik, das Piepsen wird schneller und ich taste hektisch meinen Bauch ab.
‚Mein Baby, oh Gott, was ist mit meinem Baby?’
Augenblicklich ist alles wieder da, ich war in einem Brautmodengeschäft mit Jenny. Aber was geschah dann?
Mein Bauch fühlt sich viel kleiner an, verdammt nochmal: Was ist mit meinem Baby?
Hektisch schaue ich mich um, ich habe einen Schlauch im Arm und Kabel lugen unter meiner Bettdecke hervor. Außerdem habe ich eine Atemmaske im Gesicht, die ich genervt wegreiße.
E ine Schwester kommt zu mir hinein. Sie hat einen grünen Kittel an und lächelt mir zu.
„Hallo Frau Molina. Schön, dass Sie wach sind“, sagt sie freundlich.
„Was… was ist passiert?“, meine Stimme hört sich merkwürdig fremd an, so als würde sie gar nicht zu mir gehören.
„Sie hatten eine vorzeitige Plazentaablösung, es musste ein Notkaiserschnitt gemacht werden und Sie haben viel Blut verloren“, erklärt sie mir, immer noch lächelnd.
„Wie bitte?“, piepse ich entsetzt und Tränen schießen in meine Augen. „Was ist mit meinem Baby? Ich war doch erst in der sechsundreißigsten Woche…“, ich kann kaum reden, mein Hals tut furchtbar weh, aber ich muss das jetzt wissen. Hab ich das Baby verloren?
Oh Gott, was wird Nicolas dazu sagen? Wie konnte das geschehen? Was hab e ich denn falsch gemacht?
Die Gedanken schießen wie Blitze durch meinen Kopf.
„Keine Sorge, bitte, beruhigen Sie sich“, die Schwester nimmt meine Hände und drückt sie leicht. „Ihrem Baby geht es gut.“
„W… was?“, stammele ich, ich muss das nochmal hören.
„Ihrem Baby geht es gut. Aber alles andere wird Ihnen der Doktor erklären. Und da ist jemand, der jetzt unbedingt zu Ihnen will“, sie steht auf und macht eine einladende Geste zu meinem Bett.
Ich sehe Nicolas, der hastig zu mir kommt und sich auf die Bettkante setzt.
Nicolas? Wieso ist der denn schon hier? Wie kommt er so schnell hier her?
„Stella, oh Gott, meine Süße, wie fühlst du dich?“, seine Hände umfassen zärtlich mein Gesicht. Ich sehe, dass er Tränen in den Augen hat. Irgendwie verstehe ich gerade gar nichts mehr, auch er trägt diesen komischen grünen Kittel.
„ Wieso bist du hier?“, frage ich ihn verwundert.
„Man hat mich sofort verständigt, als das passiert ist. Dein Vater hat dafür gesorgt, dass ich schnellstmöglich einen Flug bekomme“, sagt er heiser und eine Träne kullert über sein Gesicht.
„Aber…
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