Bittersuess
Stella!’ , rüge ich mich selbst. ‚Die waren bestimmt nicht nur an deinen Brüsten!’
„Ja, klar, ist es .“
„Wir können es morgen mal probieren, dann ist das Narkosemittel ganz aus Ihrem Körper raus“, erklärt die Schwester freundlich. „Bis dahin bekommt die Kleine noch die Flasche.“
Als sie weg ist, schaue ich meine kleine Tochter lange an. Ich nehme ihre winzige Hand und streichele darüber. „Ist alles nicht so optimal gelaufen, was?“, sage ich mit heiserer Stimme. „Aber jetzt wird es besser, ganz sicher …“
Wir sitzen eine Weile schweigend auf dem Bett. Nicolas und ich schauen nur unsere Tochter an, es ist ein schöner, friedlicher Augenblick.
Ich muss das erstmal alles verdauen, was ich erfahren habe. Ich wäre fast gestorben – und Lucia auch. Das kann doch alles nicht sein. Der Kloß in meinem Hals wird immer größer, doch ich schlucke dagegen an.
Lucia mäkelt ein bisschen herum und wird unruhiger.
„Sie hat bestimmt Hunger“, Nicolas ruft die Schwester. „Man bringt gleich ein Fläschchen.“
„Hoffentlich will sie morgen überhaupt an meiner Brust trinken“, sage ich ein bisschen wehmütig.
„Ganz bestimmt. Sie ist meine Tochter“, entgegnet Nicolas frech dann nimmt er mir Lucia ab. „Ich mach ihr mal eine frische Windel, okay?“
„Ja“, ich reiche sie ihm ganz vorsichtig und fasziniert schaue ich, wie geschickt Nicolas sie auszieht. Er geht so behutsam mit ihr um, ich kann meinen Blick nicht von seinen schönen schlanken Händen abwenden.
„Du scheint schon Übung darin zu haben“, stelle ich fest.
Ich werde wehmütig, es so kommt mir so vor, als hätte ich schon Meilensteine in Lucias Leben verpasst, ich weiß selbst, dass das Blödsinn ist. Ich sollte lieber froh sein, dass ich überhaupt noch lebe.
Die Schwester bringt das Fläschchen und Nicolas kommt mit unserer Kleinen wieder an mein Bett.
„Willst du?“
„Gerne“, lächele ich ihm zu.
Lucia trinkt fast das ganze Fläschchen aus und ich schaue ihr fasziniert dabei zu. Ihre kleinen Händchen sind zunächst zu Fäusten geballt, jetzt entspannen sie sich allmählich wieder.
„Sie ist ein kleines Wunder“, flüstere ich ganz leise und schaue Nicolas an.
„Ja, das ist sie. Und unglaublich zäh, das muss sie von ihrer Mutter haben“, er schaut mich ernst an. Jetzt fällt mir das erste Mal auf, wie müde und kaputt er aussieht. Er hat sich bestimmt schon zwei Tage nicht mehr rasiert und unter seinen Augen liegen tiefe Schatten. Sein Gesicht wirkt eingefallen und mir treibt es die Tränen in die Augen, ihn so zu sehen.
„Wann hast du das letzte Mal geschlafen, Nicolas? Oder etwas gegessen?“
Er lächelt mir zerknirscht zu. „Keine Ahnung. Aber das ist auch nicht wichtig. Du lebst, mi corazón. Nur das ist jetzt von Bedeutung, denn das war eine zeitlang keine Selbstverständlichkeit“, er wischt sich schnell über die Augen, aber ich hab die Tränen schon entdeckt.
Ich ziehe den Wagen zu mir und lege Lucia behutsam hinein. Sie ist eingeschlafen und sieht völlig entspannt aus.
Nicolas beugt sich zu mir und nimmt mich in seine Arme. „Wenn ich dich verloren hätte, Stella… ich darf gar nicht daran denken…“
„Ich bin da … Mich wirst du so schnell nicht los.“
„ Das will ich auch hoffen. Tu das nie wieder mit mir“, flüstert er an meinem Hals.
Ein Klopfen trennt uns und ich schaue gespannt zur Türe. Mein Bruder lugt frech grinsend hinein.
„Hallo, wie ich sehe ist Dornröschen wieder erwacht“, lacht er und kommt an mein Bett.
„Mensch Maus, was machst du bloß für bescheuerte Sachen?“, sagt er dann leise und ich kann an seiner Stimme hören, dass er nicht so unbeschwert ist, wie er gerade tut.
„Ich weiß nicht“, lächele ich ihm zerknirscht zu.
Dann schaut er auf die schlafende Lucia. „Das ist vielleicht ein süßer Käfer.“
„Herzlichen Glückwunsch, Onkel Jonas“, necke ich ihn.
„Onkel Jonas“, mein Bruder verzieht das Gesicht. „Sie soll sich nicht wagen, mich einmal so zu nennen.“
Nicolas und ich lachen auf. Jetzt spüre ich doch ein bisschen die Narbe, aber es ist nicht weiter schlimm. Sie scheint wirklich schon gut verheilt zu sein.
„Tut mir leid, aber die Besuchszeit ist zu Ende. Und Sie brauchen jetzt auch Ruhe“, eine sehr resolute Stimme kommt von der Türe.
„Aber ich werde bleiben“, sagt Nicolas sofort.
„Sie könnten auch ein bisschen Schlaf gebrauchen, Dr. Molina“, die Schwester lächelt ihm freundlich zu,
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