Bittersuess
gefangen habe. Er hebt mein Kinn an und zwingt mich, ihn anzuschauen. „Es war eine schwere Zeit, mi corazón . Aber das ist jetzt vorbei, hörst du? Es ist gut jetzt.“
„Wenn ich… wenn ich… also wäre ich in Argentinien gewesen, dann… also… dann…“, ich schlucke, kann es einfach nicht aussprechen.
„Ja, Stella. Du und das Baby hättet keine Chance gehabt, das ist leider die Wahrheit“, sagt er und jetzt beginnt auch er wieder zu weinen. „Niemand hätte so schnell Hilfe leisten können. Aber du warst hier“, fügt er dann eindringlich an.
„Gut, dass ich auf dich gehört habe, was?“, lächele ich ihm traurig zu.
„Du weißt doch, dass du das sowieso immer tun solltest“, grinst er jetzt frech und ich kann sogar ein bisschen lachen.
„Das hättest du wohl gerne“, necke ich ihn, doch meine Stimme klingt noch total schwach. „Hast du unserer Tochter schon einen Namen gegeben?“, ich schaue ihn misstrauisch an.
Nicolas Grinsen wird immer breiter.
„Du hast es nicht gewagt, oder?“, bohre ich weiter und mein Kampfgeist erwacht wieder. Wir waren uns nämlich noch überhaupt nicht einig, was die Namensfrage angeht.
„Nein, natürlich nicht“, beruhigt er mich und haucht mir einen Kuss auf die Lippen. „Entscheide du…“
„Ich würde sie gerne Lucia nennen. Aus Dankbarkeit ihr gegenüber“, antworte ich. Das ist mir so ein Anliegen, bei all dem, was sie für uns getan hat. Und da Lucia keine eigenen Kinder hat, hoffe ich, dass sie sich darüber freut.
„In Ordnung. Ich hab darüber auch schon mit deiner Mutter gesprochen. Sie fand die Idee schön. Was hältst du davon, wenn wir sie mit Zweitnamen Mariana nennen? Dann ist der Name Marianne auch ein bisschen mit dabei.“
„ Das gefällt mir. Aber wird Marta dann nicht böse sein?“
„Nein “, lacht Nicolas. „Marta hasst ihren Namen, sie hat mich schon gewarnt, ich solle das dem Kind auf keinen Fall antun.“
Ich lächele nur, dann werde ich aber immer müder und die Augen fallen mir fast zu.
„Schlaf noch ein bisschen. Bald wird man dich auf die andere Station bringen“, höre ich noch seine Stimme, dann dämmere ich weg.
Ich werde vorsichtig von einer Schwester geweckt. „Sind Sie bereit, umzuziehen?“, fragt sie mich freundlich.
Ich nicke nur, mein Herz beginnt vor lauter Aufregung ein bisschen heftiger zu klopfen.
Mit dem Monitor muss ich noch verbunden bleiben, aber ich bekomme die Infusion ab und sie reicht mir etwas zu trinken. Mein Hals tut beim Schlucken weh, sie erklärt mi r, dass das von einem Intubationsschlauch kommt.
Dann ist es soweit und ich werde mit dem Bett hinausgeschoben.
Ich werde in ein freundlich eingerichtetes Einzelzimmer gebracht, ich kann mir denken, wer da seine Finger im Spiel hatte.
Nicolas wartet schon auf mich und begrüßt mich mit einem zärtlichen Kuss.
„Hallo, meine Schöne, wie geht es dir?“
„Gut“, antworte ich, obwohl das nicht so ganz stimmt, denn ich fühle mich nicht gerade fit.
Kurze Zeit später öffnet sich die Türe und eine Schwester kommt mit einem Wägelchen hinein.
Nicolas hilft mir, mich aufzusetzen, jetzt spüre ich das erste Mal das Zwicken der Narbe, das ist aber nicht weiter schlimm.
‚Gut, dass du so lange bewusstlos warst, da ist die Narbe schon etwas verheilt’ , sage ich mir selbst zynisch.
Die Schwester nimmt ein kleines Bündel aus dem Wägelchen und reicht es mir. Ich bin ganz aufgeregt, die Müdigkeit ist mit einem Mal wie weggeblasen.
Ich nehme das Baby ganz vorsichtig zu mir und betrachte es gespannt.
Lucia ist so zierlich und klein. Jetzt öffnet sie die Augen, sie sind ganz dunkel und ich strahle Nicolas an. „Sie hat deine Augen.“
„Das kann sich ja noch ändern .“
„So dunkel wie sie jetzt schon sind – ich glaube nicht“, lacht die Schwester. „Hat die kleine Dame denn nun einen Namen?“
„Lucia Mariana“, antworten Nicolas und ich wie aus einem Munde.
„ Wie schön“, die Schwester notiert den Namen auf einem kleinen Kärtchen. „Möchten Sie denn stillen? Wir haben in Absprache mit Ihrem Mann versucht, den Milchfluss in Gang zu bringen.“
Ich schaue verblüfft zu Nicolas. „Ach ja?“
„Ja“, er zuckt die Schultern. „Ich dachte, das wäre in deinem Sinne“, er schaut mich treuherzig an.
Die Vorstellung, dass da jemand an meinen Brüsten herumgefummelt hat, während ich bewusstlos war, finde ich sehr merkwürdig, aber es ist ja gut gemeint gewesen.
‚Und es ist total bescheuert,
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