Bittersuess
Bad zeigen?“, fragt er dann. Ich höre an seiner Stimme, dass er lächelt.
„Ja, gern“, antworte ich nur und stehe mit wackligen Beinen auf.
Er geht aus dem Zimmer und öffnet eine Türe. „Bitte sehr“, sagt er mit einschmeichelnder Stimme.
Neugierig trete ich in den Raum ein. Das Zimmer ist sehr klein, aber es gibt eine Toilette, eine Dusche und ein Waschbecken. Ich komme mir vor, wie im Paradies.
„Ich denke mir mal, Sie wollen jetzt allein sein?“
„Das wäre nett“, antworte ich und kann es immer noch nicht glauben.
„Ich werde vor der Türe warten. Die Fenster sind hier alle vergittert , es lohnt sich also nicht, Blödsinn zu machen. Ich werde alle fünf Minuten fragen, ob Sie okay sind – wenn Sie nicht antworten, komme ich rein. Enttäuschen Sie mich nicht, sonst werde ich dafür sorgen, dass einer meiner Kollegen die ganze Zeit bei Ihnen bleibt“, er klingt jetzt ernst und ich verstehe seine Warnung.
„Ich habe Ihnen saubere Sachen hingelegt. Sie werden Ihnen nicht passen, aber ich denke, es ist auf jeden Fall besser, als das, was Sie im Moment tragen“, fährt er fort. Er kratzt sich am Hinterkopf. Ist er verlegen? Ich ertappe mich dabei, dass ich mich frage, wie er ohne diese Maske aussieht.
„Danke“, sage ich nur, obwohl das eigentlich bescheuert ist. Wofür soll ich mich bedanken? Ich bin immer noch seine Gefangene, auch wenn die Bedingungen sich verbessert haben.
Er nickt nur und ich bin allein. Als ich die Türe geschlossen habe, schaue ich mich erstmal um und bin fassungslos. In der Dusche stehen ein Duschgel und ein Shampoo. Auf der Ablage über dem Waschbecken liegt eine verpackte Zahnbürste und Zahnpasta. Außerdem entdecke ich eine Tube Gesichtscreme und eine Wundsalbe. Sogar Deo steht dort bereit.
‚Kleiner Wink mit dem Zaunpfahl, was?’
Vorsichtig nähere ich mich dem Spiegel über dem Waschbecken. Ich bin nicht sicher, ob ich mich wirklich darin betrachten will, aber dann atme ich tief durch und stelle mich meinem Spiegelbild.
Ich lasse einen entsetzten Schrei los, als ich mich das erste Mal seit vier Tagen darin sehe.
Meine Gesichtshälfte, dort wo ich die zwei Schläge abbekommen habe, ist großflächig blau verfärbt und die geklammerte Augenbraue ist noch geschwollen.
‚Du siehst aus wie Frankensteins Tochter’ , schießt es mir durch den Kopf. Meine Lippen sind aufgesprungen und rissig, unter den Augen sind dunkle Ränder.
Und erst meine Haare! Ich fasse entsetzt hinein, sie sind total verstrubbelt und zerzaust – und schmutziggrau.
Ich habe eh Probleme meine Naturlocken zu bändigen, wie ich das jetzt hinkriegen soll, ist mir ein Rätsel. Ich schaue mich suchend um und entdecke aber einen Kamm und eine Bürste.
‚Immerhin’ , sage ich mir zufrieden.
Aber am meisten Anziehungskraft besitzt die Toilette.
„Alles okay?“, höre ich ihn rufen.
„Ja“, antworte ich brav und bin froh, dass ich ihn auch gehört habe. Denn wenn er jetzt reingekommen wäre, wäre das mit Sicherheit sehr peinlich geworden. Ich hätte mir nie träumen lassen, wie schön es sein kann, auf einem Klo zu sitzen, mit Toilettenpapier in Reichweite.
Als ich fertig bin, ziehe ich mich aus und steige unter die Dusche. Ich stutze kurz.
„Es ist alles in Ordnung , ich gehe jetzt duschen“, brülle ich hinaus. Nicht, dass ich seinen Kontrollruf überhöre, ich will ja nicht, dass er mich nackt sieht.
„Alles klar“, tönt es von draußen, er lacht ganz leise.
‚Blödmann’ , denke ich mir empört, er scheint sich ja prächtig zu amüsieren.
Ich könnte fast heulen, als das warme Wasser über meinen Körper läuft. Ich schließe genießerisch die Augen und bleibe erstmal eine Weile nur so stehen. Dann schnappe ich mir das Shampoo und schäume meine Haare ein. Ich sehe, dass eine dreckige Brühe Richtung Abfluss fließt.
Die Prozedur wiederhole ich ein paar Mal, bis das Wasser klar bleibt. Mit dem Einseifen bin ich vorsichtig, ich komme ein paar Mal an die Stellen, in die mich der Kerl getreten hat, dort habe ich große blaue Flecken.
Zu meinem Glück würde mir jetzt nur noch ein Rasierer fehlen, ob ich danach fragen kann?
‚ Aber nachher haben Sie Angst, dass ich damit auf sie losgehe…’
Ich versuche mir das bildlich vorzustellen und muss sogar kichern.
Ich stelle das Wasser ab und steige aus der Dusche. Die Handtücher riechen frisch und sind sogar flauschig.
„Sind Sie noch Mensch oder schon Fisch?“, höre ich ihn rufen.
Ich bin so überrascht,
Weitere Kostenlose Bücher