Bittersuess
hat gehofft, er würde seine Aggressionen dort besser abbauen können und lernen, sich an feste Regeln zu halten, aber das war nicht der Fall“, erzählt er weiter.
„Und du?“
„Ich hab mich zwar immer zurück nach Argentinien gesehnt, aber meine Oma hat darauf bestanden, dass ich hier eine Ausbildung mache. Ich war gut in der Schule und sie meinte, ich solle meine Chance nutzen. Ich habe es dann so gemacht und wollte genug Geld verdienen, um später mal meiner Familie helfen zu können“, immer noch sieht er mich nicht an. „Und um das wieder gut zu machen, was mein Vater meiner Tante und meiner Oma angetan hat.“
Ich bekomme ein ungutes Gefühl. „Und um die Sache zu beschleunigen soll das Geld meiner Eltern helfen?“, meine Stimme bebt, als ich das sage und ich spüre, dass ich zittere. „Schon mal daran gedacht, dass das Geld, das ihr erpresst, woanders fehlen könnte? Dass das der Ruin meiner Eltern sein könnte? Der Firma? Dass Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen könnten?“, ich lachte bitter auf, dann spüre ich Wut in mir hoch kochen. „Aber so ist es scheinbar einfacher, nicht wahr?“
Er schaut erschrocken auf. „Nein, also… nein…“, er krabbelt zu mir hinüber und kniet sich vor mich. Hastig nimmt er meine Hände und sieht mich verzweifelt an. „Das… das… hab ich nie so geplant, ich hab es nicht gewollt. Diesen Weg wollte ich nie gehen. Ich hab studiert und ich hab einen Job. Doch dann hab ich einen Unfall gehabt, ich bin mit dem Auto von der Straße abgekommen als ich meinen Bruder vom Gefängnis abgeholt habe. Er hat mich aus dem brennenden Wrack raus gezogen, er hat mir das Leben gerettet. Aber er hat sein Leben nicht in den Griff bekommen, hat wieder Schulden gemacht und dann meinte er, er wüsste, wie er zu Geld kommen würde. Und ich wäre ihm was schuldig…“
Ich muss heftig schlucken. „Wer ist dein Bruder?“
„Der, den du als Kevin kennen gelernt hast“, antwortet er heiser.
„Ich kann nicht glauben, dass du das hier aus Dankbarkeit deinem Bruder gegenüber gemacht hast“, sage ich heiser. Das Blut rauscht in meinen Ohren, ich kann das alles nicht fassen.
„Ich wusste nicht, dass er so eine Schweinerei vorhat, Stella. Er wollte, dass ich ein paar logistische Sachen übernehme und mich um Kleinigkeiten kümmere. Den größten Teil wollte er mit seinem Kumpel selbst machen. Und für mich würde eine größere Summe dabei raus springen“, er fährt sich mit der Hand nervös durch die Haare. Auch er zittert. „Natürlich war es reizvoll soviel Geld auf einmal zu bekommen. Ich hätte sofort nach Argentinien zurück gekonnt“, fährt er leise fort. „Dann hat er dich aber verletzt und sein Kumpel meinte, ich solle mal nach dir sehen. Ich war total geschockt, als ich erfahren hab, dass sie einen Menschen entführt hatten. Ich dachte, sie planen eine kleinere Gaunerei mit Geldwäsche oder so was. Das war niemals so abgesprochen. Der Augenblick, als ich dich in der Halle gesehen habe, war mit der Schlimmste in meinem bisherigen Leben. Das musst du mir glauben, bitte…“, er sieht mich an und kann eine tiefe Verzweiflung in seinen Augen erkennen.
„Du hättest zur Polizei gehen und alles sofort beenden können“, schleudere ich ihm entgegen. Ich bin ganz heiser und innerlich total aufgewühlt. In mir purzeln gerade die unterschiedlichsten Gefühle durcheinander. Ich kann ihn irgendwo verstehen – und doch wieder nicht.
„Wenn ich meinen Bruder verraten hätte, hätte meine Familie mir das nie verziehen. Er hat mir das Leben gerettet, da kann ich ihn nicht verpfeifen , das geht doch nicht“, sagt er heiser. Immer noch hält er meine Hände in seinen. Und sein Blick bittet mich um Vergebung.
„Zuerst wollte ich damit nichts mehr zu tun haben, als ich deine Wunde versorgt hatte. Doch dann hatte ich Angst, dass sie dir noch mehr antun würden, wenn ich nicht dabei bleibe. Und jetzt stecke ich schon viel zu tief in der Sache drin. Oh Gott, Stella, es tut mir so leid…“
Ich weiß nicht, was ich darauf sagen soll. Das alles verwirrt mich nur noch mehr und wer weiß, ob diese Version überhaupt stimmt. Kann ich ihm trauen? Kann ich das glauben?
„Ja, mir tut es auch leid“, sage ich bitter und spüre, wie Tränen über meine Wange n laufen.
„Nicht weinen, bitte“, er überbrückt die restliche Distanz zu mir und zieht mich in seine Arme. „Bitte Stella, bitte nicht“, er hält mich ganz fest und ich wehre mich nicht.
Zögernd erwidere ich die
Weitere Kostenlose Bücher