Bittersuess
auch niemanden.“
„Oh“, antworte ich nur. Ich beschließe, nicht zu erwähnen, dass ich schlappe hundert Quadratmeter mehr Wohnraum für mich zu Verfügung habe.
„Die Wohnung en in der Stadt sind teuer und ich überweise das Geld, was ich übrig habe, nach Argentinien.“
Ich nicke nur, fühle mich jetzt irgendwie schlecht. Wenn ich bedenke, wie oft ich das Geld schon aus dem Fenster geschmissen habe – au weia.
„Aber ich möchte etwas über dich hören“, sagt er dann sanft und rutscht mit mir im Bett hinunter. Ich komme wieder auf seinem Arm zu liegen und er sieht mich fast zärtlich an. Oder bilde ich es mir nur ein?
„Ich bin nicht interessant“, sage ich nur und versuche meinen Herzschlag unter Kontrolle zu kriegen, der so schnell und heftig ist, dass er es eigentlich hören müsste.
„Das finde ich ganz und gar nicht. Was machst du, wenn du nicht studierst?“, fragt er mich und spielt mit einer Locke meines Haares.
„Ich reite gern und treffe mich mit Freunden. Außerdem jogge ich ab und zu“, erzähle ich ihm.
„Nadesha heißt dein Pferd, ich hab es mir gemerkt“, lächelt er mir zu.
„Ja“, sage ich mit heiserer Stimme. Seine Hand streichelt jetzt zärtlich über mein Gesicht, es ist auf einmal eine ganz komische Stimmung. Gut, dass wir schon liegen, denn ich hätte bestimmt weiche Knie bekommen. Sowas ist mir auch noch nicht passiert, dass ein Mann so eine Wirkung auf mich hat. Aber das liegt bestimmt nur an den Umständen. Das nennt man wohl ‚Extrem-Situation’, in der ich mich befinde, erkläre ich mir selbst.
„Seit wann reitest du?“, fragt er weiter.
„Seit ich laufen kann .“
Nicolas verwickelt mich in ein Gespräch über Pferde, und ich entspanne mich wieder etwas. Ich frage nach, was für eine Rasse sie in Argentinien züchten und mit Begeisterung erzählt er mir von dem Gestüt.
Ich merke es fast gar nicht mehr, irgendwann fallen mir die Augen zu. Ich bekomme noch mit, wie er mich fester an sich zieht und die Decke über uns breitet. Ich fühle mich so wohl, dass ich hätte schnurren können.
Ich registriere noch seinen angenehmen Duft und umschlinge mit meinem Arm seinen Bauch.
Im Moment ist alles gut.
Diesmal ist er vor mir wach, denn als ich die Augen öffne, schaue ich in sein lächelndes Gesicht.
„Guten Morgen“, sagt er leise.
„Morgen“, murmele ich. Immer noch liege ich in seinem Arm und mein Bein habe ich über seinem platziert. Schnell ziehe ich es zurück, mir ist es peinlich, ihn so zu vereinnahmen.
„Entschuldige“, flüstere ich heiser und ich spüre, wie ich wieder erröte.
„Oh, das macht nichts, überhaupt nichts“, wieder dieses umwerfende Lächeln von ihm. Was für ein schöner Anblick am frühen Morgen.
„Weißt du eigentlich, dass du im Schlaf immer mal wieder deine Nase kraus ziehst?“, fragt er mich grinsend.
„Tu ich das? Glaub ich nicht“, unwillig runzele ich die Stirn. Hat er mich allen ernstes beim Schlafen beobachtet? Meine Gesichtsfarbe wird um noch eine Nuance röter.
„Oh doch, das tust du!“
„Quatsch“, widerspreche ich ihm.
„Kein Quatsch“, gluckst er weiter. „Meinst du, dein Magen verkraftet schon einen Kaffee? Die Kaffeemaschine funktioniert hier nämlich – im Gegensatz zum Herd.“
„Kaffee wäre gut“, nicke ich ihm zu und setze mich im Bett auf.
Er steht auf und verlässt das Schlafzimmer, ich schaue ihm lächelnd hinterher. Doch dann rufe ich mir wieder ins Gedächtnis, in was für einer Lage ich hier bin. Nicolas ist mein Entführer – und ich habe schon das zweite Mal mit ihm in einem Bett geschlafen!
‚Das darf später wirklich keiner erfahren’ , ermahne ich mich selbst. Niemand würde für mich Verständnis aufbringen, soviel ist schon mal klar.
Während ich ihn in der Küche werkeln höre, husche ich ins Bad und mache mich schnell frisch. Als ich wiederkomme hat er schon wieder das Bett zu einer Picknickwiese umfunktioniert.
„Das ist wirklich ein toller Service“, nicke ich ihm zu.
„Das ist wohl das Mindeste , was ich tun kann“, er antwortet sehr ernst und wirkt ein bisschen bedrückt. „Ich muss gleich los, heute Abend werde ich nicht kommen können.“
„Oh“, ich zucke richtig zusammen und bin froh, dass ich es gerade noch verhindern kann, den Kaffee zu verschütten.
„Sie wissen, dass sie dich in Ruhe lassen sollen“, sagt er mürrisch und sein Blick wird finster.
Ich kann nichts mehr sagen, zu sehr schnürt mir die aufsteigende Angst schon
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