BitterSueß
ein leises Prickeln zwischen meinen Beinen. Dann ein kohlensäureartiges Feeling in meinem gesamten Unterleib. Ich betrachtete ACWs lange Wimpern und musste mich sehr zusammennehmen, um nicht doch abermals dahinzuschmelzen.
Verflixt.
»Sehr gut«, sagte er zufrieden. »Dieses Lächeln steht Ihnen viel besser als die ernste, frostige Miene. Sagen Sie, bedrückt Sie etwas? Kann ich helfen?«
Mhmmm … ja, Sie könnten Ihre rechte Hand in meinen Schritt schieben und mit der linken meine Brust umfassen, schoss es mir blitzartig durch den Kopf. Und ich musste mein Gesicht abwenden, damit er es mir nicht von der Stirn ablesen konnte … und er brauchte auch nicht unbedingt zu sehen, wie sich mein von ihm gelobtes Lächeln noch vertiefte.
Nach diesem höchst angenehmen kleinen Intermezzo – nicht umsonst werden Flirts im Büro ja immer als so positiv angesehen, in allen Magazinen und Office Reports, die ich so kenne – fühlte ich mich leicht beschwingt. Nicht so aufgewühlt wie am Tag zuvor, nein, sondern einfach nur gut.
Das sollte ich auch brauchen, denn die Verhandlung wurde extrem ätzend. Damit hätte ich nicht gerechnet.
Zum Beispiel auch nicht damit, dass auch ein gewisser Subchef an der Besprechung teilnahm. Ausgerechnet der!
Jaaa … stimmt, ich mag diesen beamtenhaften Spießer einfach nicht.
Denk daran, schärfte ich mir selber nochmal ein. Es ist nur ein Spiel.
Das war dann aber gar nicht so leicht durchzuhalten.
»So so, Sie wollen also mehr Geld«, wiederholte mein Chef, nachdem ich mein Anliegen vorgebracht hatte, und er sagte es auf eine scheinbar neutrale Weise, aber mit giftigem Unterton, der für mich deutlich spürbar war.
Der neben ihm sitzende Subchef gab ein missbilligendes Räuspern von sich, als hätte er einen Frosch im Hals.
»Wieviel hatten Sie sich denn vorgestellt?«
»Fünfzig«, erklärte ich kühn und konnte nicht verhindern, dass mein Herz klopfte. In Gedanken funkte ich beiden Herren zu, dass ich genau Bescheid wusste! Mit 60 Euro pro Stunde wurde ich fakturiert, verdammt noch mal!
Ich wusste natürlich, dass ich diese Summe niemals bekommen würde, aber ich war entschlossen zu kämpfen.
Das höhnische Grinsen der beiden Chefs war allerdings ganz schön fies. Und schwer zu ertragen. Ich merkte, dass es etwas ganz anderes war, von ACW auf diese subtil erotische Weise schikaniert und gequält zu werden … ganz anders als dies hier. Ich schlug mich wie ein Löwe und führte all meine Verdienste ins Feld, benutzte aber meine auf zwielichtige Weise beschafften Informationen nicht, auch wenn die Versuchung groß war – und der Lohn für meine Mühen? Dieses ekelhafte Von-oben-herab, diese ostentative Geringschätzung meiner Person … Scheiße, ich fühlte mich real gedemütigt und hätte am liebsten um mich geschlagen.
Stattdessen feilschte ich wie ein Teppichhändler auf dem Basar, und am Ende landeten wir bei 5 Euro mehr. Ein ziemlich unfairer Kampf, denn beide Herren nahmen mich andauernd in die Zange … relativierten meine Leistungen, murmelten etwas von Quality Management … hörten nicht hin, wenn ich sprach, unterbrachen mich – zwei gegen eine, gemein.
Von zwanzig auf fünf runter, das war eine Unverschämtheit. Ich hatte nicht übel Lust, eine Kehrtwendung zu machen, auf die schäbige Kohle zu verzichten und den ganzen Kram hinzuschmeißen.
Ich war für einen Moment wie benommen. Die Demütigung brannte in mir wie Salz in offenen Wunden. Dann erhob ich mich und sagte im Hinausgehen noch: »Rückwirkend ab Anfang November, davon gehe ich doch aus?« Es kam schneidend scharf raus, immerhin.
Mein Chef stimmte zu – ich sah noch, wie der andere Arsch sein knochiges Gesicht verzog, dann war ich weg.
Zuerst dachte ich daran, was Alpha wohl zu diesem Pyrrhus-Sieg sagen würde, und im Geiste spielte ich schon Dialoge mit ihr durch, rechnete ihr vor, dass es bei meinen 14-Stunden-Arbeitstagen ein ganz hübsches Sümmchen war, was da als Mehrverdienst herauskam, und … erst allmählich kam mir auch in den Sinn, dass etwas anderes hinter dem Geiz und der dick aufgetragenen Gemeinheit der beiden Anzugträger stecken konnte.
Auf einmal hatte ich das dringende Bedürfnis, Andy Young anzurufen. Seinen Geheimauftrag hatte ich ja gewissenhaft erledigt, doch seitdem nichts mehr von ihm gehört.
Mir kam der Gedanke, dass das Projekt womöglich kurz davor war, den Bach runterzugehen.
11. November 2002
Ist mein Job in Gefahr? Wieso ist mit Alpha alles so schwierig? Weshalb
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